Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
verändert. Und doch bist du hier und greifst in den Kampf ein, den du zu meiden trachtest. Anscheinend sind deine Wertvorstellungen doch nicht so tot, wie du andere glauben lassen möchtest.«
Michael seufzte. »Sie sind tot, Horren. Ich konnte nur nicht zulassen, dass Salin diese Kinder in die Hände bekommt. Das ist der einzige Grund, weshalb ich meine Hütte verlassen habe. Sobald sie in Sicherheit sind, kehre ich in mein Heim zurück. Und wenn ich es danach nie mehr verlassen muss, soll es mir nur recht sein.«
Horren runzelte die Stirn, doch in seinen Augen blieb ein Schimmer. Er ging sogar so weit, Alek zuzuzwinkern, als wolle er zum Ausdruck bringen, dass er kein Wort dessen glaubte, was Michael gerade gesagt hatte.
Schließlich erhob er sich und begann, Liegestätten für seine Gäste vorzubereiten. Er streute eine Ecke des Raumes mit sauberem Heu und Stroh von einem hohen Regal aus, dann breitete er darüber zahlreiche Decken und flauschige Kissen aus. Während er arbeitete, redete er zunehmend vergnügter.
»Es ist lange her, seit ich zuletzt Gäste hatte. Oh, die Tiere des Waldes sind gute Gesellschaft, aber nur noch wenige erinnern sich an die Addinsprache. Früher kam gelegentlich ein alter Wolf vorbei, keiner dieser dunklen Wölfe, die dem Feind dienen, sondern ein freundlicher Bursche namens Pfote. Er beherrschte die Addinsprache, aber er meinte, die meisten in seinem Rudel machen sich nicht mehr die Mühe, sie zu lernen. Die Tiere bleiben immer mehr unter sich, jedenfalls diejenigen, die nicht zum Feind übergelaufen sind. Sie sagen, es sei schade, aber die Welt verändere sich.«
Wieder kam Alek aus dem Staunen kaum heraus. Mit Tieren reden? Vor zwei Tagen hätte er es für blanken Unsinn gehalten, nun jedoch war er nicht so sicher. So viel dessen, was er von der Welt zu wissen glaubte, hatte sich als unwahr erwiesen, und so viel, was er nur für Geschichten hielt, hatte sich als Tatsachen herausgestellt. Und von diesem Waldschrat, diesem Addin, hatte er nicht einmal in den ausgefallensten Geschichten gehört.
»Horren Addin«, sagte er. »Warum bist du hier? Ich meine, was genau macht ein Addin?«
Horren wurde gerade mit den Betten fertig. Er kehrte zu seinem Platz auf dem großen Stumpf zurück und kicherte leise. »Was ein Addin macht? Das ist eine Frage, mit deren Beantwortung ich Tage verbringen könnte, wenn ihr so viel Zeit hättet. Allerdings hat die Nacht nur noch wenige Stunden, und wie ich Elsendarin kenne, lässt er euch losmarschieren, solange der Morgen noch frisch ist. Ihr Jungen solltet zu Bett gehen. Andererseits weiß ich, dass Kinder gern Gutenachtgeschichten hören.«
Alek runzelte die Stirn. Allmählich wurde er es leid, dass Horren und Michael ihn und seine Freunde ständig als ›Kinder‹ bezeichneten. Er wollte es gerade zum Ausdruck bringen, als sich der Addin räusperte, grollend hüstelte und Aleks Frage beantwortete. In gewisser Weise jedenfalls.
»Ein Addin ist jemand, der im Wald lebt. Deshalb werden wir oft als Waldschrate bezeichnet. Na ja, das wisst ihr ja bereits. Es gab nie viele von uns, und mittlerweile leben über die Welt verteilt nur noch weniger als hundert von uns. Wir treffen uns kaum noch; die letzte Versammlung der Addins war … da muss ich überlegen … im Frühling des Letzten Helden? Nein, es muss während der Herrschaft des alten Kazkond gewesen sein. Nein, auch nicht … nun, spielt ja keine Rolle. Jedenfalls ist es sehr, sehr lange her. Was unseren Zweck angeht, bedeutet Addin in der alten Sprache der Elben ›Wächter‹. Tatsächlich ist das eine schlechte Übersetzung. Es ist eher jemand, der wartet. Und wacht. Und behütet.«
Horren verstummte und blickte zum Dach. Offenbar war er kein geübter Geschichtenerzähler. Michael lächelte ein wenig, während er beobachtete, wie sein Freund mit den Worten rang. Kraig, der bisher scheinbar teilnahmslos auf dem Boden gehockt hatte, fragte: »Worauf wartet ihr? Was behütet ihr?«
Der Addin sah den Friedenswächter an, als wäre die Antwort offensichtlich. »Wir warten auf die Zeit, in der die Dinge, die wir behüten, gebraucht werden. Manche meinen, diese Zeit sei bereits gekommen und verstrichen, und wir halten immer noch Wache. Ich vermute, das ist der Grund, weshalb wir nicht mehr mit dem Volk der Elben zwiesprechen können.«
Verwirrt schüttelte Alek den Kopf. »Was meinst du mit zwiesprechen?«
»Reden, Alek Maurer, so, wie ich es jetzt mit dir tue. Nur ohne Worte und über große
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