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Flucht übers Watt

Titel: Flucht übers Watt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Nolde-Bildern wusste. Flirtete sie deshalb mit ihm? Flirtete sie überhaupt mit ihm? Oder kam ihm das nur so vor?
    Maja begrüßte einen Bärtigen mit Pilotensonnenbrille, der mit dem Brigitte-Bardot-Double zusammenstand.
    »Kann ich dich mal allein lassen?«
    »Ich komm schon klar.« Er versuchte ein lockeres Grinsen.
    Harry fiel ein, dass er Ingo Warncke noch anrufen wollte. »Ist es wohl möglich, mal kurz zu telefonieren?«, fragte er etwas unsicher die Hausherrin, die gerade mit einem Sektglas vorbeilief.
    »Aber natürlich! Da müssen Sie doch gar nicht fragen«, rief sie laut und überschwänglich, als würde Harry hier täglich ein und aus gehen. »Ach, was sage ich denn. Sie wissen ja gar nicht, wo es einen Apparat gibt. Am besten gehen Sie nach oben in eines der Gästezimmer. Da können Sie in Ruhe sprechen.«
    Sie führte Harry eine rot geflieste Treppe hinauf in den ersten Stock und öffnete ihm ein Zimmer. Das Telefon stand auf dem Nachttisch neben dem französischen Bett. Darüber hing hinter einer Glasplatte ohne Rahmen ein Schwarz-Weiß-Foto der Schauspielerin |132| Andrea Jonasson, nur in einem schwarzen Pullover in den Dünen. Auch in diesem Raum war alles schwarzweiß. Harry wählte seine eigene Hamburger Nummer.
    Nach etlichen Klingelzeichen wurde diesmal abgenommen. »Ja?«, meldete sich eine unbekannte Frauenstimme.
    »Wer ist denn da?«, fragte Harry.
    »Ja   ... hier ist die Francesca.«
    Im ersten Moment glaubte er sich verwählt zu haben. Aber dann dachte er sich schon, dass es sich um eine neue Bekanntschaft von Ingo handelte.
    »Ist Ingo auch da?«, fragte er.
    »Nee, der Ingo ist noch mal weg. Und der andere, also sein Freund, ist auch nicht da.« Sie klang, als hätte er sie geweckt.
    »Soso«, sagte Harry. Er überlegte kurz, ob er Ingo etwas ausrichten lassen wollte. Aber das ließ er lieber. »Ich versuch es später noch mal.«
    Die Francesca nölte ein langgezogenes »Okay« und danach ein ebenso langes »Ciao«.
    Er legte auf und sah sich für einen Moment das Bild von Andrea Jonasson an. Es musste ein Foto aus den späten Sechzigern sein. Zu der Zeit war er immer mit seiner Großmutter an der Nordsee gewesen.
    Harry setzte sich mit Lachsbrötchen und Pappbecher auf das weiße Ledersofa neben das Mädchen im Zigeunerlook mit einem grellbunten lila-roten Tuch um den Kopf. Überall war sie mit Metallschmuck behängt, an den Ohren, um Hals und Armgelenke. Bei jeder Bewegung klapperte es. Sie trug ein grobmaschiges Häkelkleid und darunter ein enges weißes Shirt.
    |133| »Hallo«, sagte sie und guckte ihm tiefin die Augen. Etwas übertrieben ernst, fand Harry.
    »Ich arbeite mit Metall«, erklärte ihm das Gypsy-Girl ohne Umschweife, während Harry voll damit beschäftigt war, den Lachs, der sich kaum durchbeißen ließ, nicht auf das weiße Ledersofa fallen zu lassen. Der Bassett, der zu einem kleinen Dicken mit Minipli gehörte, guckte erwartungsfroh zwischen ihm und dem Mädchen hin und her.
    »Lachsröllchen sind, glaub ich, nichts für dich«, sagte Harry.
    Von der Sitzecke aus konnte man die beiden ineinandergehenden Räume überblicken. Durch eine große Terrassentür mit Sprossenfenstern hatte man einen Blick nach draußen auf eine nachgemachte antike Laterne, die als Gartenbeleuchtung diente. Dahinter lag im Dunkeln ein benachbartes Haus und ein Stück Dünenlandschaft. Von dem überstehenden Reet, auf das man von unten guckte, strömte der Regen und prasselte auf das Kopfsteinpflaster, mit dem das Haus rundherum eingefasst war. Immer wieder, wenn Herbie Hancock grad eine Pause machte, hörte man eine Windbö an den Fenstern rütteln.
    Einige der anwesenden Typen bemühten sich etwas auf dringlich, hip zu wirken. Aber daneben gab es auch junge Frauen mit toupierten Pudelfrisuren und Schulterpolstern in ihren weiten currygelben Jacketts. Freundliche Typen mit Haarschnitt wie Andy Brehme, in gestreiften Pullovern und weißen Jeans. Es war eine recht bunte Partygesellschaft. Harry hatte sich die Leute älter vorgestellt. Nach Sylter Schnöseln sahen |134| die wenigsten aus, nur die Hausherrin und ihre Clique. Die Prominenten allerdings, die Kieseritzky ihm versprochen hatte, waren nicht da. Kein Werner Höfer, Wolfgang Menge oder Klaus Schwarzkopf, den Harry tatsächlich gern mal von Nahem gesehen hätte. Dafür wurde über sie geredet.
    »Nein, wie der Augstein neulich auf der Hochzeit von Böhnisch mit Eva Scholl-Latour diesen Tanz aufgeführt hat. Immer in Schlips und Kragen,

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