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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence
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sagte: »Mir hat dieses Stück Torte sehr gut geschmeckt.«
    »Freut mich zu hören«, entgegnete er. »Nun, stell dir vor, die Vanilleschicht sei eine große Ablagerung von silberhaltigem Erz.« Er nahm mein Buttermesser, schabtedie helle Schicht frei & schob sie auf eine Seite des Tellers. »Nicht die Glasur oben, sondern die Vanille-Zuckerguss-Schicht im Inneren. Zwischen den Tortenschichten. Das ist die Ader, die Hauptader.«
    Ich nickte.
    »Natürlich ist dieses Silber mit Quarz und anderem Schutt vermischt. Man muss es zerstoßen und weiterverarbeiten und amalgamieren, bevor es zu Silber wird – aber es ist da.«
    Ich schaute mein Tortenstück an & nickte wieder.
    »Siehst du, wie der Zuckerguss zwischen den Schichten mal dünn ist und mal dicker? Weil ich das Stück plattgedrückt habe!«
    Ich nickte.
    »Und schau: Obwohl alles darum herum plattgedrückt ist, ist die Schicht immer noch da, trotz der vielen Vertiefungen, Winkel, Abzweigungen und Unebenheiten!« Er hob den Teller an & zeigte es mir. »Immer noch da, siehst du?«
    Ich verstand nicht all seine Ausdrücke, aber ich verstand genau, was er meinte.
    »Ja«, sagte ich.
    Titus Jepson stellte den Teller ab & nahm sich das Messer. Er benutzte es, um drei schmale Vertiefungen in das zermatschte Tortenstück zu bohren. »Das sind die verschiedenen Schluchten im Mount Davidson«, sagte er. »Das ist die Ophir-Schlucht.« Dann nahm er meine Kaffeetasse & schüttete ein wenig Kaffee darauf. »Und das ist ein kleiner Wasserlauf, der durch die Ophir-Schlucht fließt. Man nennt ihn den Mexikanischen Strom, weil in den frühen Tagen dieser Stadt zwei arme mexikanischeBrüder dort lebten und der Fluss auf ihrem Grundstück verlief. Sie verkauften ihr Wasser im Gegenzug für ein paar Meter einer Mine namens Ophir. Ihren Abschnitt der Ader nannten sie die Mexiko-Mine. Es stellte sich heraus, dass es der dickste Teil der Zuckerguss-Schicht war. Die beiden armen Brüder verkauften ihn einige Jahre später und jetzt residieren die beiden in hochherrschaftlichen Villen, darauf kannst du wetten.«
    Titus Jepson schnitt mit dem Messer vorsichtig ein Stück von meiner Torte ab, dann hob er es mit der Klinge hoch. »Ein Meter der Mexiko-Mine gehört mir – und die bescheren mir ein recht schmackhaftes Einkommen.« Er schob sich den Bissen in den Mund & aß ihn auf.
    Auch ich nahm ein Stück.
    »Tut mir leid, dass ich deine Torte zerdrückt habe«, sagte Titus Jepson. »Möchtest du ein frisches Stück?«
    »Nein, Sir«, sagte ich & spießte mit der Gabel etwas von der Hauptader auf. »Zerdrückt schmeckt sie genauso gut. Außerdem versteh ich jetzt, was eine Ader ist.«
    Titus Jepson nickte und lächelte. »Nun, da ich dir all das erzählt habe, kannst du mir auch etwas erzählen. Was hat Belle nun schon wieder angestellt?«
    Eigentlich hätte ich es mir denken können.
    Im Gegenzug zu einem Stück Comstock-Schichttorte und einer Lektion in örtlicher Geografie wollte Titus Jepson Informationen über Belle Donne.
    »Ist Belle Ihre Tochter?«, fragte ich.
    Titus Jepson schaute mich mit Gesichtsausdruck Nr. 4 an: Erstaunen. »Du heiliger Strohsack, nein! Sie wird meine Frau werden.«
    »Ihre Frau?«
    »Das hoffe ich. Ich möchte eine ehrbare Frau aus ihr machen und sie heiraten«, sagte er. Dann schaute er auf den Tisch hinunter und kratzte etwas eingetrocknetes Ei mit seinem Daumennagel ab. »Aber sie hat eine schlechte Angewohnheit«, sagte er.
    Ich sagte: »Manchmal knacke ich mit meinen Fingerknöcheln. Ma Evangeline sagt, das sei eine schlechte Angewohnheit.«
    Titus Jepson schüttelte den Kopf & schaute zu mir auf. Ich sah, dass seine Augen feucht waren. »Nicht diese Art von Angewohnheit«, sagte er. »Ich fürchte, sie ist in Gefahr, dem Rauschgift zu verfallen.«
    »Was heißt das?«, fragte ich.
    »Dass sie Opium raucht«, sagte Titus Jepson. »Jedes Mal, wenn Belle ein paar Dollar in die Finger bekommt, geht sie runter nach Chinatown und raucht eine Pfeife. Ich habe versucht, sie davon abzubringen, aber es nützt nichts. Ich glaube nicht, dass sie sich jemals ändern wird.«
    Ich nickte wissend. Ma Evangeline hatte Pa Emmet auch oft gesagt, sein Pfeiferauchen sei eine schlimme Angewohnheit.
    In diesem Augenblick hörten wir einen Tumult aus dem Raum nebenan.
    »Wo ist sie?«, rief eine Stimme, abgedämpft von der Tür zwischen uns. »Wenn ich sie finde, werde ich sie ausweiden wie ein Schwein!«
    Mir blieb die Torte im Halse stecken. Walt, der Schnitzer, hatte

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