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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence
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noch an ihrem Handgelenk.
    Ich hörte, dass der alte Chinese nach wie vor irgendetwas von Walt verlangte – Geld wahrscheinlich –, also ließ ich, immer noch mit dem Rücken zu ihnen, meine Smith & Wesson in die Tasche meiner weiten Hose gleiten. Dann streckte ich die Hand aus, knipste leise den Verschluss von Belles Tasche auf & griff hinein.
    Volltreffer!
    Mein Dokument war dort! Außerdem befand sich, so wie es sich anfühlte, noch etwas Papiergeld in der Tasche, dazu ihr kleiner Pulverflakon und die Bleikugeln – meine Goldmünze aber war weg. Mit klopfendem Herzen und trockenem Mund steckte ich den Brief und ein paar Dollarscheine in die Tasche zu meiner Smith & Wesson. Neben dem Pulverfläschchen und den Kugeln ließ ich noch etwas Geld in Belles Tasche zurück, um keinen Verdacht zu erregen.
    Als ich mich davonmachen wollte, wandte Belle langsam ihren Kopf herum. Ich sah, wie ihre halb geschlossenen Augen versuchten, sich zu konzentrieren, während sie mich anschaute. Sie öffnete den Mund, um etwas zusagen, aber ich drückte meinen Finger gegen ihre Lippen. Dann ging ich zu dem Bett neben ihr und tat so, als wäre ich mit den Gegenständen beschäftigt, die auf einem niedrigen Tisch ausgelegt waren.
    Eine kleine Spirituslampe brannte dort mit blauer Flamme, und daneben lagen eine hölzerne Schachtel, die mit etwas gefüllt war, das wie brauner Kitt aussah. Dazu gab es eine lange Bambuspfeife mit einer Kugel aus Ton an einem der beiden Enden.
    Ich hörte das Klirren von Sporen, als Walt und Boz zu Belles Bett herüberkamen. Unter der Krempe meines Strohhutes beobachtete ich Walt dabei, wie er Belle durchsuchte. Sie war so schläfrig, dass sie sich kaum zur Wehr setzte.
    »Da«, sagte Walt schließlich und warf Boz die Double Deringer zu. »Die kannst du als Andenken behalten.«
    Boz fing sie mit der linken Hand auf und steckte sie sich in die Weste. Ich sah, dass seine rechte Hand verbunden war.
    Walt erhob sich und fluchte. »Das verd … mte Kind hat gelogen. Sie hat den Brief nicht. Los, komm!«
    »Aber das ist die Hure, die auf mich geschossen hat«, greinte Boz. »Das zahl ich ihr zurück.«
    Mit der linken Hand holte er seinen Colt’s Navy Revolver aus der Tasche und drückte den Lauf gegen ihre Stirn.
    Belle hatte mich betrogen & gefesselt & ausgeraubt, aber ich wollte nicht zulassen, dass sie umgebracht wurde.
    Mit der rechten Hand, die noch immer in meiner Hosentasche war, spannte ich den Hahn meiner Smith & Wesson. Sie war vielleicht nicht zielgenau, aber in einerEntfernung von gerade mal einem halben Meter konnte ich nicht danebenschießen.
    Trotz des Versprechens, das ich meiner sterbenden Ma gegeben hatte, war ich bereit, die Pistole zu benutzen. Ich wollte Belles Leben retten.

KONTOBUCHBLATT 26

    Im Stillen sagte ich zu mir: Wenn Boz seine Waffe spannt, dann erschieß ich ihn.
    Zum Glück musste ich das nicht.
    Bevor er den Hahn zurückziehen konnte, legte ihm Walt eine Hand auf den Arm. »Nicht jetzt, Boz«, knurrte er gedämpft. »Und nicht hier. Aber ich verspreche dir, später bekommst du deine Rache.«
    »Yeah«, sagte Boz. »Einfach nur eine Kugel in den Kopf ist zu gut für die. Ich werd sie leiden lassen. Verschwinden wir hier. Finden wir das Kind.«
    Sie verließen die Opiumhöhle, und ich fiel vor Erleichterung fast in Ohnmacht – der Geruch des Pfeifenrauchs trug wohl auch seinen Teil dazu bei, er machte mich ganz schwindlig.
    Ich überlegte, was zu tun war.
    Ich hatte meinen Brief wieder und ich brauchte eine sichere Bleibe, bis ich ihn am nächsten Morgen zum Recorder’s Office bringen konnte.
    Ich fand auch, dass ich Belle vor dem rachsüchtigenBoz, der ihr Leben bedrohte, warnen sollte. Ja, sie hatte mich betrogen, aber ich wollte nicht, dass sie leiden musste.
    Die beste Bleibe für die Nacht schien mir der Ort zu sein, an dem ich mich befand. Walt und seine Kumpane würden so bald nicht wieder hierherkommen. Ganz oben waren noch einige Betten frei, und auf einem von denen konnte ich schlafen.
    Ich ging zu dem Chinesen hinüber, und als ich den Kopf hob, um ihn anzusehen, öffneten sich seine Augen weit zu Gesichtsausdruck Nr. 4: Erstaunen. Ich nehme an, er konnte jetzt erkennen, dass ich kein chinesischer Junge war.
    Ich holte eine Ein-Dollar-Note hervor und sagte: »Wie viel kostet eine Übernachtung?«
    Seine Augen wurden wieder schmaler. »Fünf Dollar für Pfeife und Bett«, sagte er.
    Ich erwiderte: »Ich möchte keine Pfeife. Nur einen Schlafplatz für die

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