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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence
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eine Prozession anzuschauen. Der Wind ließ ihre Kleider flattern, und hier draußen konnte ich unter dem Heulen der Washoe-Brise nun auch eine Blaskapelle hören. Ich drängte mich zwischen den Leuten hindurch, aber als ich vom Gehsteig sprang, wurde ich beinahe von einem mit schwarzem Stoff bedeckten und von Pferden gezogenen Löschwagen überrollt. Feuerwehrleute marschierten mit ihren Helmen & roten Flanellhemden & glänzenden schwarzen Gürteln die Straße entlang. Warum versammelten sie sich hier so früh? War das eine Verschwörung gegen mich? Sie versperrten mir den Fluchtweg.
    Der Wind schlug mir entgegen und ließ meine Decke hinter mir wie einen Umhang wehen. Er fegte Dreck in meine Augen & füllte meinen Mund mit Staub. Die Blaskapelle kam näher & wurde lauter.
    Zwischen einem weiteren schwarz eingehüllten Löschwagen & weiteren Feuerwehrleuten schoss ich auf die andere Straßenseite. Doch der Gehsteig gegenüber war eine massive Wand aus Minenarbeitern, sodass ich nicht hinaufspringen konnte. Ich musste die Straße entlangrennen, gegen den Strom des Verkehrs. Feuerwehrleute beschimpften mich, wenn ich sie anrempelte, aber beim Klang der Blaskapelle & dem noch immer heulenden Wind konnte ich sie kaum hören. Sobald ich eine bergauf führende Seitenstraße erreicht hatte, bog ich ab. Auch sie war vollgestopft mit Minenarbeitern, aber ich schaffte es, mich durch die Menschen hindurchzukämpfen.
    Oben auf der B Street traf ich auf die Blaskapelle und eine glänzend schwarze Begräbniskutsche. Sie wurde von pechschwarzen Pferden gezogen, auf deren Stirnen schwarze Federbüsche wippten. Erst jetzt fiel mir ein, dass heute der Tag von Short Sallys Beerdigung war. Das musste der Grund dafür sein, dass all diese Minenarbeiter die Gehsteige füllten: um die Prozession zu sehen. Ich drängte mich an weiteren Arbeitern vorbei, eine weitere Straße hinauf & fand mich schließlich auf der A Street wieder, die zum Glück verlassen dalag.
    Mir war übel. Ich musste haltmachen & die Hände auf meinen Knien abstützen. Meine Pflegeeltern waren tot, genau wie Short Sally. Jace war vermutlich auch tot: ins Herz geschossen – und ich war schuld. So viele tote Menschen. Und dafür war der Pa, den ich immer für tot gehalten hatte, in Wirklichkeit am Leben. Er hatte sich nur nie die Mühe gemacht, mich aufzuspüren.
    Ich schnappte immer noch nach Luft, als etwas an meimemOhr vorbeischoss, das sich wie eine Wespe anhörte. Aber es war keine Wespe.
    Es war eine Kugel – abgefeuert von Walt.
    Er war einen halben Straßenblock unter mir aus der Menschenmenge aufgetaucht & schoss mit seinem großen Colt’s Army Revolver auf mich. Die Sonne war noch immer nicht aufgegangen, aber für ihn war es hell genug, um einen Schuss abzufeuern, der mich beinahe getötet hätte.
    Zwischen zwei Gebäuden hindurch rannte ich aufwärts, während ich gleichzeitig meine Smith & Wesson aus der Tasche holte.
    Ich blieb stehen, spähte hinter einem Schuppen hervor & sah, wie Walt aus der Gasse trat. Ich gab einen Schuss ab. Beim Heulen des Windes konnte man meine Waffe kaum hören. Ich glaube nicht, dass sie ihm überhaupt auffiel.
    Ein aufgeschrecktes Paar Wachteln erhob sich flatternd aus einem Beifußstrauch, als ich mich hinter ihm zurückzog. Der Magen rutschte mir in die Kniekehlen, als mir auffiel, dass ich mich dem Stadtrand näherte. Die Sonne stieg gerade hinter den Bergen im Osten auf. Wenn ich noch höher hinauflief, würde sie mich am Berghang mit ihren hellen Strahlen direkt anleuchten.
    Dann sah ich, weiter oben auf dem von Beifuß gesprenkelten Hang, das große weiße Gebäude der Mexiko-Mine. Die Hämmer standen still, & aus dem hohen Schornstein kam kein Rauch.
    Ich rannte darauf zu.
    Ich dachte: Dort wird es jede Menge Winkel & Nischen geben, in denen ich mich verstecken kann.
    Aber als ich keuchend & ganz elend vom Laufen in der dünnen Luft bei dem Gebäude ankam, stellte ich fest, dass es so fest verschlossen war wie ein Safe der Wells Fargo Bank.
    Die Sonne war aufgegangen und ließ die eng beieinander liegenden Metallschienen funkeln, die aufwärts zu einem dunklen Rechteck am Berghang führten. Die Schienen waren für einen Minenwagen bestimmt, und das dunkle Rechteck war der Eingang der Mexiko-Mine.
    Der Wind heulte mir entgegen, & die Sonne zeigte mit ihren hellen Strahlen direkt auf mich.
    Ich dachte: Wenn ich nur irgendwohin komme, wo es dunkel & ruhig ist, kann ich darüber nachdenken, was ich tun soll.
    Ich rannte

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