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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence
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& es sicher war.
    Ich steckte mir die Kerze zwischen die Zähne, schlug meinen Deckenumhang zurück, um Armfreiheit zu haben & stieg so schnell die Leiter hinunter, wie es meine flackernde Flamme erlaubte. Ich musste meinen Kopf geneigt halten, damit ich mir nicht die Hutkrempe ansengte. Das brachte mich etwas aus dem Gleichgewicht & machte das Vorwärtskommen schwierig.
    Ich hätte gedacht, dass es kühl & feucht werden würde,je tiefer man in die Erde steigt. Aber bei meinem Abstieg wurde es heißer & heißer. Ich musste innehalten & die Kerze aus meinem Mund nehmen, mir den Speichel abwischen & einen Moment lang ordentlich atmen. Dann stieß ich ein Gebet aus, steckte die Kerze zurück in den Mund & stieg weiter hinunter.
    Als ich endlich unten ankam, war ich so erleichtert, dass mich meine Knie nicht mehr hielten & ich mich für ein Weilchen hinsetzen musste.
    Dann schaute ich mich um, und für einen Augenblick wich mein Entsetzen blankem Erstaunen.
    Wer je den Fachwerkrahmen eines Hauses gesehen hat, bevor die Wände hochgezogen wurden, stelle sich das Bild vor. So weit das Auge reicht, aberhundert große Gebilde aus rechteckigen Brettern, die beinahe so breit waren wie ich & doppelt so hoch, und die sich vor & hinter & unter & über mir in die Finsternis ausstreckten. Ich musste dreißig Meter tief sein & doch hatte man es fertiggebracht, einen ganzen Wald aus Bretterrahmen hier hinunterzuschaffen.
    Als ich meine Kerze hochhielt & mich umschaute, zeigte mir die kleine gelbe Flamme, dass ich immer noch tiefer hinabsteigen konnte. Es gab eine enge Treppe in Form eines Korkenziehers, die sich in die heiße, feuchte Dunkelheit hinabwand.
    Es war der letzte Platz auf Erden, zu dem es mich hingezogen hätte – als stiege man in die Feuergrube der Hölle hinab.
    Aber nur ein kurzer Tunnel & die Leiter trennten mich von Walt, und ich wusste, ich musste dort hinab.
    Immerhin brauchte ich mir nicht mehr die Kerze zwischen die Zähne zu klemmen. Aber während ich tiefer & tiefer hinabstieg, hatte ich das Gefühl, als wäre ich in einem dieser Albträume, in denen man ganz langsam ins Bodenlose stürzt. Überall um mich herum ragten die Holzgerüste auf, und auch wenn ich wusste, dass die Balken dick waren, kam es mir vor, als wären es nur Zahnstocher, die versuchten, einen ganzen Berg zu stützen. Nach vielleicht fünfzehn Minuten schwindeligem Abstieg erreichte ich endlich festen Boden.
    Verblüfft stellte ich fest, dass es hier unten eine ganze Stadt zu sehen gab. Hier gab es Spitzhacken & Äxte & ein kleines Sägewerk & Laternen. Außerdem erblickte ich zur Hälfte mit Erz gefüllte Schubkarren, bereitgestellt, um ihre Ladungen zu Eimern zu befördern, die an Winden & Seilen & Flaschenzügen befestigt waren. Mir wurde klar, dass es hier an jedem anderen Tag von Minenarbeitern gewimmelt hätte.
    Jetzt wimmelte es von Ratten.
    Ratten geben eine gute Mahlzeit ab, wenn man verzweifelt ist. Aber für meinen Geschmack gab es hier unten einfach zu viele von ihnen.
    Als sie mein Licht sahen, verzogen sie sich in die Schatten. Aber ich wusste, dass sie da waren. Ich konnte sehen, dass ihre Augen mich anfunkelten wie rote Perlen.
    Als ich näher an die Felsenwand herankam, entdeckte ich etwas, das die Hauptader sein musste.
    Die Comstock-Ader.
    Die Vanilleschicht in der Mount-Davidson-Torte. Im Schein meiner Kerze glitzerte der Quarz, der ganz durchzogenwar von blauen Adern – wie die Marmorsäulen im International Hotel. Ich wusste, dass die blauen Adern das Silber enthielten & dass man das Gestein zerstampfen & sieben & amalgamieren & raffinieren musste. Aber es war Silber, & zwar reichlich davon. Es war das, was Männer & Frauen in den Wahnsinn trieb.
    Plötzlich wurde mir schwindlig & ich musste nach Luft ringen. Die Decke um meinen Hals drückte mir den Atem ab. Ich band sie los & anschließend weniger fest wieder um & fühlte mich gleich etwas besser. Ich fragte mich, ob hier unten schon mal jemand erstickt war.
    Dann hob ich mit der Rechten meine Kerze & ging ringsum die Felswand entlang. Ich hörte die Ratten krabbeln & fiepen, aber sie blieben außer Sicht. Ich hatte bestimmt schon zehn Minuten lang nach einem guten Versteck gesucht, als ich einen heißen, feuchten Luftzug auf meinem Gesicht spürte.
    Ich wollte schon ein stilles Dankgebet gen Himmel schicken für die frische Luft, selbst wenn sie heiß war, als die Kerze in meiner Hand ohne Vorwarnung ausgeblasen wurde. Um mich herum tat sich eine Finsternis auf,

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