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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence
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sprach das Wort aus, als handele es sich um etwas Furchtbares.
    »Ja«, antwortete ich und senkte die schwere Pistole, »ich bin ein Mädchen.«
    »Das ist unmöglich. Alle wissen, dass du ein Junge bist. Tommy Three hat es mir gesagt. Unten in Temperance hat man es mir auch erzählt. Und selbst als du dich als Mädchen verkleidet hast, sahst du nicht wie eins aus.«
    »Meine indianische Ma wusste, dass ich sicherer sein würde, wenn ich so tat, als wäre ich ein Junge. Sie wollte, dass ich mich so anziehe. Aber das hat mir gut in den Kram gepasst. Und auch Ma Evangeline fand die Idee gut.« Ich machte einen Schritt auf ihn zu. »Und Sie habengerade selbst zugegeben, dass Sie Tommy Three kannten. Damit weiß ich jetzt, dass Sie eine verlogene, nichtswürdige Schlange sind.«
    Er sagte: »Du bist kein Mädchen. Aber einen Jungen, der so aussieht wie du, hab ich auch noch nie gesehen. Du bist nicht weiß, und ein Indianer bist du auch nicht. Weißt du, was du bist?« Auf seinem Gesicht zeigte sich Ausdruck Nr. 3, und er spuckte auf den Boden. »Eine Missgeburt bist du.«
    Ich schaute ihn an & musste schlucken. »Ich mag eine Missgeburt sein«, sagte ich. »Aber ich bin außerdem P. K. Pinkerton. Und jetzt weiß ich, was ich zu tun habe.«
    Ich legte seinen schweren Revolver ab & zog den Brief aus meinem Medizinbeutel.
    Sorgfältig & überlegt zerriss ich das Dokument, das dem Überbringer halb Virginia City & die silberne Kuchenschicht darunter als Besitz zuschrieb. Dann ließ ich die winzigen Schnipsel zu meinen Füßen hinabflattern.
    »Nein!«, brüllte Walt. Und dann tat er etwas, das ich nicht erwartet hatte. Mit seiner unverletzten rechten Hand griff er in seine Tasche und zog eine Waffe heraus. Es war mein eigener Smith & Wesson-Revolver, und mit ihm zielte er direkt auf mich.
    Ich dachte Folgendes: Dieser Smith & Wesson-Revolver kann mich nicht treffen. Aber wenn ich ihn mit seinem Revolver am Arm erwische, würde ihn das auch nicht gerade umbringen.
    Also griff ich nach dem großen Colt mit dem Knochengriff.
    Ein Schuss ging los. Im selben Moment kam es mir vor,als hätte mich jemand mit voller Wucht geschlagen, und ich stürzte zu Boden.
    Sam Clemens hatte sich geirrt.
    Offenbar konnte man mit diesem Smith & Wesson-Revolver durchaus jemanden treffen.

KONTOBUCHBLATT 46

    Ich fühlte ein Brennen in meiner linken Schulter und konnte den Rauch der Waffe riechen. Ich setzte mich auf, und als ich hinunterschaute, sah ich, dass ein Blutfleck das Wildleder meines linken Ärmels durchdrang. Dann hob ich den Kopf gerade noch rechtzeitig, um zu erkennen, wie Walt erneut den Hahn spannte, um einen zweiten Schuss abzufeuern.
    Während er die Waffe entsicherte, wich ich zurück. Und er trat vor.
    Ein großer Fehler.
    Erinnert ihr euch, dass ich von der Grube über dem kochenden Wasser erzählt habe? Jene Grube, an deren Rand ich mich versteckte? Nun, ich hatte mir schon gedacht, dass etwas in der Art passieren könnte, also hatte ich das GEFA R-Schild entfernt, die hellgelbe Decke über den offenen Schlund der Grube gelegt und sie über und über mit Erde bestreut.
    Als Walt einen Schritt nach vorn machte, um ein zweites Mal auf mich zu schießen, trat er auf eine dreckigeDecke, die über einer meilentiefen Grube mit kochendem Wasser lag.
    Der Knall des ersten Schusses hallte noch immer als Echo in der kleinen Höhle wider, als die Smith & Wesson erneut losging. Ich sah, wie Walts Gesicht mit aufgerissenem Mund und wie seine ausgestreckten Hände in halsbrecherischer Geschwindigkeit dem Körper in die Tiefe folgten. Während das zweite Echo verklang, konnte ich noch immer den Schrei hören. Er wurde schwächer und schwächer auf dem Sturz in Richtung Hölle.
    Meinen verletzten linken Arm umklammernd, stand ich auf, ging vorsichtig zur Kante der Grube & schaute hinab. Ich konnte nicht das Geringste sehen, nur ein tiefes schwarzes Loch, wie ich es nie wieder in meinem Leben erblicken möchte.
    Walt war irgendwo dort unten. Vielleicht dauerte sein Sturz noch an. Vielleicht schmorte er auch schon in der Tiefe. Die Welt war ihn jedenfalls los.
    Das flackernde Kerzenlicht offenbarte ein metallisches Blitzen im Staub, und ich sah, dass es mein Smith & Wesson Revolver war. Er musste aus Walts Hand geflogen sein, als er in den Abgrund stürzte. Ich weiß nicht, was Pa Emmet dazu gesagt hätte, aber ich schickte ein Dankgebet gen Himmel.
    Ich ging um das Loch herum und hob die Pistole auf. Mit nur einer Hand schaffte ich es, das

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