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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Lawrence
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»Ich habe deine Ma angelogen. Ich habe ihr erzählt, ich sei Robert Pinkerton, weil ich sie beeindrucken wollte. Und es hat funktioniert.«
    Mein Herz hämmerte. Ich hatte gedacht, Detektivblut würde durch meine Adern fließen, aber nun sah es ganz so aus, als sei es Desperado-Blut.
    »Du weißt doch – der Knopf, den du hast? Er stammt von einer Jacke, die ich bei einem Pokerspiel gewonnen habe.« Er rieb sich mit seiner unverletzten Hand den Nacken & grinste.
    Mir fiel etwas ein, das Poker Face Jace mir beigebracht hatte: Unehrliche Person verraten sich unter anderem dadurch, dass sie sich den Nacken reiben.
    Walt schüttelte den Kopf. »Wenn du mir den Brief gibst«, sagte er, »beweist du, dass ich dir trauen kann und wir Partner sein können.«
    Noch etwas anderes fiel mir ein. Jace hatte mir gesagt, dass die Menschen manchmal den Kopf schütteln, wenn sie »Ja« sagen, & manchmal nicken, wenn sie »Nein« sagen.
    Jace hatte mir beigebracht, dem Körper eines Menschen zu glauben und nicht seinen Worten.
    Ein Funken Hoffnung glomm in mir auf.
    Ich hob den Colt’s Army Revolver wieder hoch, sodass er auf Walts Knie zeigte. »Beweisen Sie, dass Sie mein Pa sind«, sagte ich. »Sagen Sie mir meinen wahren Namen. Wie hat meine indianische Ma mich genannt?«
    Walt grinste. Im flackernden Kerzenlicht ließ ihn das teuflisch aussehen. »Deine Ma nannte dich Böser-Blick-von-einem-Busch.«
    Als er das sagte, gaben meine Knie auf, und im nächsten Moment saß ich auf dem umgedrehten Eimer, den ich schon zuvor als Stuhl benutzt hatte. Mir war schlecht. Ich sah einige helle, kleine Flecken, die wie Mücken vor meinen Augen herumschwirrten. Vielleicht hatte ich ihn falsch eingeschätzt. Vielleicht sagte er doch die Wahrheit.
    Aber er hatte sich den Nacken gerieben.
    Er hatte den Kopf geschüttelt und »Ja« gemeint.
    Und er hatte aufgehört, auf seinem Tabak herumzukauen, so wie er es tat, wenn er beim Poker bluffte.
    Mir kam eine Idee.
    Ich schaute zu ihm auf. »Sie waren dabei, als ich geboren wurde?«
    »Klar war ich das«, sagte er. »Ein, zwei Jahre bin ichnoch bei deiner Ma geblieben. Dann ist sie ihren Weg gegangen und ich den meinen. Ich habe es immer bedauert, dass ich nicht da war, um dir beizubringen, wie man jagt und fischt und schießt.«
    »Nein«, sagte ich. »Nein, Sie lügen. Sie sind nicht mein Pa. Ich sage Ihnen, was wirklich passiert ist. Sie haben von irgendwem erfahren, dass meine Ma einen wertvollen Brief von meinem echten Pa besaß. Ich wette, es war Tommy Three. Deshalb hat er sich wahrscheinlich auch mit Ma eingelassen. Wegen des Vermögens, nicht aus Liebe. Ich habe ihn nie leiden können. Und ich gehe jede Wette ein: Der Brief ist echt. Sonst könnten Sie ja einfach einen neuen fälschen.«
    Walts Lächeln löste sich auf. Er musste schlucken.
    Ich sagte: »Meine Ma und Tommy Three waren mit mir auf dem Weg hierher. Vielleicht wollten sie sich mit Ihnen treffen. Oder vielleicht war es auch nur Tommys Plan, Sie zu treffen. Aber dann kam es zu dem Indianerangriff und die beiden starben. Sie haben mich bis nach Temperance verfolgt und meine Pflegeeltern umgebracht. Sie haben das Haus durchwühlt, aber den Brief haben Sie nicht gefunden. Sie sind mir bis nach Virginia gefolgt, und irgendjemand hat Ihnen verraten, dass ich meinen echten Pa nie kennengelernt habe. Also haben Sie beschlossen, so zu tun, als wären Sie er. Es muss jemand gewesen sein, dem ich meinen indianischen Namen verraten habe. Tommy Three war es nicht, denn Ma hat ihm weder meinen noch ihren indianischen Namen gesagt. Der Verräter muss also jemand hier in Virginia City gewesen sein. Ich wette, es war dieser doppelzüngige Lügner Sam Clemens, oder?«
    Walt versuchte zu lächeln, aber selbst im flackernden Kerzenschein konnte ich erkennen, dass das Lächeln falsch war. Er sagte: »Ich bin dein echter Pa. Jetzt gib mir den Brief, mein Sohn.«
    »Ich bin nicht Ihr Sohn«, sagte ich. »Wenn Sie wirklich mein Pa wären, der mich im Arm gehalten hat, als ich geboren wurde, dann hätten Sie mich jetzt nicht ›mein Sohn‹ genannt.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich kein Junge bin. Ich bin ein Mädchen.«

KONTOBUCHBLATT 45

    Walts Kiefer sackte herunter, und mit hervorquellenden Augen starrte er mich an. Es war das extremste Beispiel von Gesichtsausdruck Nr. 4, das mir je untergekommen war. Einmal hatte ich einen Mann gesehen, der von einem Maultier getreten wurde – es war in etwa derselbe Ausdruck.
    »Du bist ein …
Mädchen
?« Er

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