Fluchtpunkt Mosel
fragen.«
In der Diele strich Minka an Waldes Beinen vorbei. Die Katze duckte sich unter seiner Hand hinweg, als er sich bückte, um ihr über den Rücken zu streichen.
»Robert ist nicht mehr kalt.« Annika hielt ihren Lieblingsbär im Arm, dem sie eine ihrer Westen angezogen hatte. Walde ging in die Hocke und umarmte beide, bevor das Kind zurück in sein Zimmer lief.
In der Küche saß Doris Zeitung lesend am Tisch und sah nicht auf, als er hereinkam.
»Bedrückt dich was?« Er küsste ihren Nacken unter dem hochgesteckten Haar.
Sie beugte sich ausweichend nach vorn und stand auf. »Gestern Abend hast du mich nicht umarmt, kein Kuss, nicht einmal ein Lächeln hattest du für mich übrig, als du nach Hause kamst.«
»Ich musste ja gleich in den Garten und nach dem Hund sehen«, sagte Walde.
Er legte ihr einen Arm um die Schulter. Sie versuchte, sich ihm zu entwinden. Er küsste zart ihren Hals. Sie schob ihn zur Seite. Er ließ nicht locker, umarmte sie sanft von hinten, küsste sie am Haaransatz neben dem Ohr.
»Du bist doch meine Liebste«, flüsterte er.
Die Spannung in ihrem Körper ließ ein wenig nach. Er umfasste ihren Bauch und drückte ihren Rücken an sich.
»Manchmal glaube ich, deine Arbeit ist deine Liebste.« Sie löste sich von ihm und schaltete die Kaffeemaschine ein.
»Entschuldige, ich habe einen neuen Fall, in dem es einiges zu tun gibt«, sagte Walde.
»Klar musst du deinen Job erledigen. Aber bei mir in der Firma sind Arbeitsplätze und Existenzen bedroht.«
»Die Existenz eines Menschen wurde ausgelöscht.« Als er es gesagt hatte, hörte es sich auch für ihn pathetisch an. »Man kann das nicht miteinander vergleichen, Arbeitsplätze zu sichern und einen Mord aufzuklären.«
»Soviel ich aus der Zeitung weiß, hatte der Mann, den ihr da in der Eifel gefunden habt, überhaupt keine Verwandten.« Sie drückte auf die Espressotaste.
Walde wartete, bis das Mahlgeräusch zu Ende war. »Sollen wir erst mal fragen, ob jemand um das Opfer trauert, bevor wir ermitteln?«
»Nein, so habe ich das nicht gemeint. Aber ich hab gerade erst den Job gekriegt, Christa hat diesen Riesenauftrag an Land gezogen. Ich hab mich so ins Zeug gelegt, alle haben rangeklotzt wie blöd, und jetzt droht die Geschichte uns das Genick zu brechen.« Doris starrte vor sich hin.
Walde trat neben sie und legte erneut einen Arm um ihre Schulter. Sie machte zwei Schritte zum Tisch und griff nach einer Packung Papiertaschentücher. Walde wusste nicht, ob sie damit nur seinen Arm abschütteln wollte.
»Ich ärgere mich so.« Doris putzte sich die Nase.
»Über deine Chefin?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Über die türkische Fabrik?«
»Ach«, sie machte eine abwehrende Handbewegung, »über alles.«
Er nahm den Espresso und trank ihn in einem Schluck, während der Kaffee in die Tasse lief.
»Wie schlimm ist es denn?« Er legte einen Arm um ihre Taille.
Sie nippte am Kaffee. »Weiß nicht, die Christa ist rüber in die Türkei geflogen, um zu retten, was zu retten ist.«
»Was ist das Problem?«
»Es hört sich gar nicht schlimm an, aber wenn die Liefertermine nicht eingehalten werden, bleiben wir auf den Kosten sitzen und bekommen obendrein eine Konventionalstrafe aufgebrummt.«
»Hört sich nicht gut an.«
»Mit diesem Auftrag könnten wir die Existenz der Firma auf Jahre sichern. Corporate Design ist zurzeit bei vielen Firmen total angesagt.«
»Ein ganz dicker Fisch also.«
»Du interessierst dich ja momentan mehr für Hunde.«
Walde spürte, dass er jetzt nichts Falsches sagen durfte. »Quintus ist eine wirklich ganz arme Sau, ich meine, ich konnte ihn ja schlecht verhungern lassen.«
»Muss ich damit rechnen, dass du als Nächstes einen Stadtstreicher mitbringst?«
»Nein, für die gibt es ja Einrichtungen.«
»Aha, und Hunde werden neuerdings nicht mehr im Tierheim aufgenommen?«
»Doch, natürlich.« Walde gab auf. »Der Hund hat mir Leid getan. Ich hab nicht geahnt, was sich daraus entwickelt. Das mit dem Rasen und deinen Laufschuhen tut mir wirklich Leid.«
»Was ist mit meinen neuen Nikes?« Doris hob die Stimme und schaute ihn mit geweiteten Augen an.
Donnerstag, 23. Februar
Grabbe saß kurz nach sieben am Morgen im Bus zur Innenstadt. Um diese Zeit entging er den meisten Schülern, die wenig später die Busse mit einem Leben erfüllten, das ihm zu dieser frühen Stunde noch entschieden zu hektisch war.
Er bekam einen Sitzplatz auf der rechten Seite hinter den Vorderrädern, wo die
Weitere Kostenlose Bücher