Fluchtpunkt Mosel
größte Teil des Fundes noch auf der Baustelle lag und ihn dort aufzuspüren.«
Bevor Walde abfuhr, informierte er Jo nochmals über Quintus und warnte ihn vor dessen Eigenheiten. Als Walde eine noch halb gefüllte Packung Trockenfutter aus dem Wagen nahm, benutzte Jo sie dazu, den Hund damit durchs Haus zum Garten zu locken.
»Ich habe dir von den Löchern in unserem Rasen erzählt«, warnte Walde, als er sich auf den Weg zurück zu seinem Wagen machte.
»Kein Problem«, rief Jo hinter ihm her.
*
»Da vorn ist es.« An dem markanten Vordach über der Tür erkannte Grabbe das Haus, ohne auf die Nummern an den Reihenhäusern achten zu müssen. Als Gabi einparkte, schien es Grabbe, als habe sich eine Gardine im Parterre des Hauses bewegt.
Carola Theis wirkte blass. Vielleicht lag es auch an der schwarzen Bluse, die das Gesicht der dunkelhaarigen Frau heller erscheinen ließ. Sie führte die beiden ins Wohnzimmer und musterte dabei die große Einkaufstüte, die Gabi unter den Arm geklemmt hatte.
Nachdem sie den ihnen angebotenen Kaffee abgelehnt hatten, packte Gabi die Lederjacke aus der Tüte. »Kennen Sie die?«
Die Witwe wurde noch ein wenig blasser. Es schien sie Überwindung zu kosten, das Kleidungsstück anzufassen. Sie betrachtete die hellen Streifen an den Oberarmen und über der Brust. Schließlich schaute sie innen auf das Herstelleretikett. »Ja, so eine hatte Aloys.«
»Können Sie bitte versuchen sich zu erinnern«, bat Grabbe. »Hatte Ihr Mann diese Jacke dabei, als er nach Thailand flog?«
Sie nickte.
»Er sagte mal, es sei seine Glücksjacke. Die zog er sogar manchmal im Sommer an, wenn er zu einer viel versprechenden Grabung ging, und natürlich auf dem Motorrad.«
Von nebenan war ein Knarren zu hören.
Carola Theis’ Blick schwenkte augenblicklich zu der angelehnten Tür, hinter der sich wahrscheinlich die Küche befand. Ein paar Sekunden lang sagte niemand etwas. Dann waren Schritte zu hören.
Die Tür ging auf und ein großer, kräftiger Mann, Grabbe schätzte ihn Anfang fünfzig, erschien in der Tür.
»Guten Tach.« Seine Stimme klang ruhig und gelassen. Er schaute zu Carola Theis. »Ich geh dann mal.«
»Das ist Herr Frohnen.« Die Witwe stand auf. »Ein Freund meines Mannes.«
»Ja, denn.« Bei aller Gelassenheit wirkte der Mann leicht verlegen. Er hatte sicher von nebenan gelauscht. »Tschöh dann.«
Als der Besucher gegangen war, fragte Gabi: »Wie lange kennen Sie Herrn Frohnen schon?«
»Ich habe ihn erst nach dem Tod meines Mannes kennen gelernt. Eigentlich wollte ich nichts mehr mit solchen Leuten zu tun haben.«
»Mit welchen Leuten?«
»Diesen Gräbern, diesen Hobbyarchäologen.«
»Herr Frohnen ist auch einer?«, fragte Gabi.
Carola Theis nickte.
»Und Sie treffen sich öfter?«
Sie nickte wieder.
»Und warum wollten Sie nichts mehr mit Hobbygräbern zu tun haben?«
»Die haben ihre eigene Welt. Wie soll ich das erklären?« Carola Theis sah zur Tür, als wollte sie sich davon überzeugen, ob Frohnen wirklich gegangen war. »Meinen Mann und die anderen verband so eine Art Männerfreundschaft.
Nur, dass sie nicht so richtig befreundet waren. Eigentlich waren es Konkurrenten. Die haben sich auch schon mal zu einem Bier getroffen, haben Funde getauscht oder verkauft. Aber die Frauen waren nie dabei.«
»Und Herrn Frohnen haben Sie erst nach dem Verschwinden Ihres Mannes kennen gelernt.«
»Wir alle dachten, Aloys wäre tot. Gerd ist vom Münzverein zu einem Kondolenzbesuch zu mir geschickt worden. Die Totenfeier war ja nicht in Deutschland. Die hat ja drüben in Thailand stattgefunden. Da hätte er schlecht hinkommen können.«
»Verstehe«, sagte Grabbe. »Wir nehmen die Jacke wieder mit. Sie haben wohl nichts dagegen.«
Auf der Rückfahrt zum Präsidium schwiegen beide.
Grabbe hatte die Tüte neben seine Füße auf den Wagenboden gestellt. Er wollte mehr von Theis erfahren, sich in seine Welt hineinversetzen. Er wollte auf seinen Spuren wandeln, seine Gedankengänge nachvollziehen, ihn verstehen lernen.
»Der Typ hat sehr schöne Augen.« Gabis Worte rissen Grabbe aus seinen Gedanken.
»Ja?«
»So blau und so tiefgründig«, sagte Gabi. »Da kann ich verstehen, dass Frau Theis noch mal schwach geworden ist, obwohl sie keinen Hobbygräber mehr haben wollte.«
»Woher bist du dir so sicher, dass die beiden was miteinander haben?«
»Eine gute Polizistin spürt so was, Bauchgefühl. Außerdem werden wir diesen Frohnen morgen mal danach
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