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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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kümmere mich normalerweise nicht um Klatsch, aber in einem kleinen Ort kann man nicht umhin, das eine oder andere zu hören. Und das Mädchen hat seit jeher etwas Triebhaftes an sich gehabt. Selbst mit zwölf oder dreizehn haben ihr schon die Burschen und Männer nachgeschaut, wenn sie durch die Stadt ging. Sie verbreitete so etwas wie - Körperlichkeit. Ich fand es merkwürdig, daß das ausgerechnet bei einem Kind der Fall war, welches aus einer so zurückgezogenen, isolierten Familie kam - so, als ob sie alle sexuellen Energien der anderen in sich aufgesogen hätte und am Schluß nicht mehr damit fertig geworden wäre.«
    »Haben Sie eine Ahnung, was damals bei der Sekte mit ihr passiert ist?« fragte ich, obwohl ich es mir nach den Erzählungen von Doug Carmichael gut vorstellen konnte.
    »Nur, daß ihre Arbeit dort von einem Tag auf den anderen zu Ende war und daß man in den nächsten Tagen in der Stadt alles mögliche geraunt und getuschelt hat.«
    »Und die Berührer haben nie wieder junge Leute aus der Stadt engagiert.«
    »Richtig.«
    Die Kellnerin brachte die Rechnung. Ich legte ihr meine Kreditkarte auf das kleine Tablett. Maimon dankte mir und bestellte sich noch eine Kanne Tee.
    »Wie war sie eigentlich als kleines Mädchen?« fragte ich.
    »Ich erinnere mich nur schwach an sie… Ja, sie war ein hübsches kleines Ding, und mit ihrem roten Haar ist sie immer und überall aufgefallen. Manchmal ist sie bei mir vorbeigekommen und hat Hallo gesagt; sie war immer sehr freundlich. Ich glaube, ihre Probleme fingen an, als sie zwölf oder dreizehn geworden war.«
    »Was für Probleme?«
    »Ich sagte es schon: Promiskuität. Sie hat sich mit älteren Jungen herumgetrieben - Jungen, die schnelle Wagen oder Motorräder fahren. Dabei scheint die Sache den Eltern aus der Hand geglitten zu sein, denn sie haben sie auf ein Internat geschickt. Daran erinnere ich mich sehr lebhaft, weil Garlands Wagen an dem Morgen, als sie zur Bahn gefahren werden sollte, eine Panne hatte. Er blieb einfach stehen, mitten auf der Straße, nicht weit von meinem Grundstück entfernt. Ich bot ihnen an, sie hinzubringen, aber natürlich lehnte Garland mein Angebot ab. Er ließ das Mädchen samt seinem Koffer sitzen, bis er mit dem Lastwagen zurück war. Sie sah wie ein trauriges kleines Mädchen aus, obwohl sie damals schon vierzehn war, wie ich vermute. Und sie kam mir so vor, als ob man alles Böse aus ihr herausgeprügelt hätte.«
    »Wie lange war sie danach weg?«
    »Ein Jahr. Als sie zurückkam, war sie völlig verändert - stiller, beherrschter. Aber immer noch sexuell frühreif, in einer zornigen Art und Weise.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Er errötete und trank den lauwarmen Tee.
    »Hemmungslos wie ein Tier. Eines Tages kam sie in meine Pflanzschule und hatte nichts als Shorts und einen BH an. Einfach so. Sie sagte, sie hätte gehört, daß ich eine neue Sorte Bananen gezüchtet habe, und wolle sie sehen. Es stimmte, ich hatte mir mehrere Dwarf Cavendish-Pflanzen aus Florida kommen lassen und ein paar Büschel der schönsten Früchte auf den Markt gebracht, um sie herzuzeigen. Ich wunderte mich, daß sie sich dafür interessierte, zeigte ihr aber die Pflanzen. Sie warf einen oberflächlichen Blick darauf und lächelte lasziv. Dann bückte sie sich, gewährte mir Einblick in ihren Büstenhalter, pflückte eine Banane und begann sie zu essen, in einer gemeinen Art und Weise…« Er hielt inne, stotterte: »Entschuldigen Sie, Doktor, ich bin dreiundsechzig, stamme also aus einer anderen Generation, und es fällt mir schwer, die Dinge so ungezwungen zu betrachten, wie das heutzutage üblich ist.«
    Ich nickte und versuchte, ihm mein Verständnis auszudrücken. »Sie sehen aber wesentlich jünger aus.«
    »Gute Gene.« Er lächelte. »Jedenfalls, das ist die Geschichte. Sie hat sich, wie gesagt, beim Essen der Banane in höchst herausfordernder Weise produziert, mich immer wieder angelächelt und gesagt, daß es köstlich sei. Danach hat sie sich die Finger geleckt und ist davongerannt. Diese Begegnung hat mich beunruhigt, weil ich während ihrer Bemühungen, als Verführerin aufzutreten, den Haß in ihren Augen gesehen habe - eine seltsame Mischung aus Sex und Feindseligkeit. Es ist schwer zu erklären.«
    Er trank einen Schluck Tee, dann fragte er: »Hilft Ihnen das irgendwie bei Ihren Ermittlungen?«
    Bevor ich antworten konnte, kam die Kellnerin zurück mit der Quittung. Maimon bestand darauf, wenigstens für das Trinkgeld zu sorgen.

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