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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Aber etwas an ihnen ist unheimlich.«
    »Allzu gekünstelt und glatt?«
    »Genau. Es sieht mir zu programmiert aus. Wie die Inszenierung eines Filmregisseurs, der einen Kult darzustellen versucht.«
    »Da stimme ich Ihnen zu, Doktor. Als ich hörte, daß Norman Matthews der geistige Führer einer Sekte geworden ist, hat mich das doch sehr amüsiert.«
    »Sie kannten ihn?«
    »Nur dem Namen nach. Aber jeder, der als Jurist tätig war, hat von ihm gehört. Er war der typische Beverly-Hills-Anwalt: gescheit, auffallend, aggressiv, skrupellos. Und nichts davon paßt zu dem, was er jetzt sein will. Immerhin - ich glaube, es hat schon merkwürdigere Verwandlungen gegeben als diese.«
    »Jemand hat gestern auf mich geschossen. Können Sie sich vorstellen, daß einer von seinen Leuten dafür verantwortlich ist?«
    »Die Sekte kommt mir alles andere als gewalttätig vor. Wenn Sie mir sagen, Matthews sei ein Schwindler, glaube ich es sofort. Aber ein Mörder…« Er schaute mich zweifelnd an.
    Ich versuchte es mit einer anderen Version.
    »Bestand denn irgendeine Beziehung zwischen den Berührern und den Swopes?«
    »Ich glaube kaum. Garland lebte zurückgezogen, er kam nie in die Stadt. Ich habe nur Emma und das Mädchen gelegentlich gesehen, wenn sie zum Einkaufen gefahren sind.«
    »Matthias berichtete mir, daß Nona einen Sommer lang bei der Sekte gearbeitet hat.«
    »Stimmt - das hatte ich ganz vergessen.« Er wandte sich ab und spielte mit einem Behälter voll ungefiltertem Honig.
    »Mr. Maimon, entschuldigen Sie, wenn das unhöflich klingt, aber ich glaube kaum, daß Sie so etwas vergessen würden. Als Matthias über Nona sprach, war es dem Sheriff ebenso peinlich wie Ihnen jetzt. Er fuhr dazwischen mit der Bemerkung, daß sie ein wildes Kind gewesen sei - so, als wollte er damit die Diskussion beenden. Bisher sind Sie mir eine große Hilfe gewesen. Bitte, verschweigen Sie mir nichts.«
    Er setzte sich die Brille wieder auf, strich sich übers Kinn, wollte die Teetasse anheben, überlegte es sich dann aber anders.
    »Doktor«, sagte er ruhig, »ich halte Sie für einen ehrlichen jungen Mann, und ich möchte ihnen helfen. Aber lassen Sie sich die Position erklären, in der ich mich befinde. Ich lebe zwar schon seit einem Jahrzehnt hier, betrachte mich jedoch immer noch als Außenseiter. Ich bin Sephardim, also ein Nachkomme spanisch-portugiesischer Juden, und stamme in direkter Linie vom großen Gelehrten Maimonides ab. Meine Vorfahren wurden im Jahre 1492 von den Spaniern vertrieben, zusammen mit den anderen Juden. Sie ließen sich in Holland nieder, wurden auch dort verjagt und gingen nach England, Palästina, Australien und Amerika. Fünfhundert Jahre Wanderschaft, das geht ins Blut und weckt Zweifel an Begriffen wie Seßhaftigkeit und Dauer.
    Vor zwei Jahren wurde ein Mitglied des Ku-Klux-Klan in diesem Distrikt als Kandidat für das Parlament des Staates Kalifornien aufgestellt. Der Mann verheimlichte zwar seine Zugehörigkeit zum Klan, aber die meisten wußten darüber Bescheid, und seine Nominierung war sicherlich kein Zufall. Er verlor zum Glück die Wahl, aber bald danach gab es die üblichen Kreuzverbrennungen, antisemitischen Flugblattaktionen, eine Epidemie rassistischer Schmierereien und Belästigungen der Amerikaner mexikanischer Abstammung an der Grenze.
    Ich erzähle Ihnen das nicht, weil ich der Meinung bin, La Vista sei eine Brutstätte des Rassismus. Im Gegenteil, ich finde, es ist eine ungewöhnlich tolerante Stadt, was man an der reibungslosen Integration der Berührungs-Sekte erkennen kann. Aber die Haltung einer sozialen Gemeinschaft kann sich rasch ändern - meine Vorfahren waren in der einen Woche Leibärzte der spanischen Königsfamilie, in der nächsten Flüchtlinge, die aus dem Land getrieben wurden.« Er wärmte beide Hände an seiner Teetasse. »Wenn man Außenseiter ist, muß man sich diskret verhalten.«
    »Ich kann ein Geheimnis für mich behalten«, sagte ich. »Alles, was Sie mir erzählen, werde ich streng vertraulich behandeln, es sei denn, es stehen Menschenleben auf dem Spiel.«
    Er gönnte sich wieder ein paar Minuten stillen Nachdenkens, und seine fein gezeichneten Züge waren ernst und ruhig. Dann schauten wir uns einen Moment lang in die Augen.
    »Ja, es hat da wohl ein wenig Ärger gegeben«, sagte er. »Worum es ging, ist mir nie klargeworden. Aber wie ich das Mädchen kannte, mußte es etwas mit sexuellen Dingen zu tun haben.«
    »Wieso das?«
    »Sie war dafür bekannt. Ich

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