Flüchtig!
linken Seite der Kirche und blieb dort völlig entspannt vor den Männern stehen.
Matthias nannte einen Namen. »Luther.«
Ein kleiner Mann, glatzköpfig und gebückt, mit grauem Vollbart, stand auf und entkleidete sich. Auf das Kommando seines Meisters ging er zum Tisch und nahm eine gewaltige Nase voll Kokain in Empfang. Eine weitere Szenenanweisung von Matthias brachte ihn und die fette Frau in die Mitte des Raums. Dort sank die Frau vor dem Mann auf die Knie, erregte ihn, so gut sie konnte, und legte sich dann auf den Rücken. Der Glatzkopf bestieg sie, und die beiden kopulierten in wilder Raserei.
Die nächste Frau, die eine Prise Kokain zu sich nahm und dann vor dem Guru kniete, war groß, grobknochig und sah wie eine Mexikanerin aus. Sie wurde gepaart mit einem untersetzten, bebrillten Mann, der an einen pensionierten Buchhalter erinnerte. Bald danach gesellten sie sich zu dem ersten Paar beim horizontalen Tanz auf dem Kirchenboden.
Die dritte Frau war Delilah. Ihr Körper wirkte erstaunlich jung, schlank und fest. Matthias beschäftigte sich länger mit ihr als mit ihren beiden Vorgängerinnen und ließ dann noch vier Frauen dazukommen. Sie bedienten ihn wie Drohnen eine Bienenkönigin. Schließlich ließ er von ihnen ab und bestimmte ihre Partner.
Innerhalb von zwanzig Minuten war ein Vermögen an Kokain geschnupft worden, und das Ende war noch nicht abzusehen. Ich bemerkte, wie mehrere eine zweite und dritte Portion erhielten, alles nach Matthias’ Kommando. Als die erste Schüssel leer war, legte der Hüne den Strohhalm einfach auf die zweite.
Die Matten war inzwischen mit einer sich windenden Masse von Leibern bedeckt. Die Szene war sexuell völlig gefühllos und ohne Spontaneität, ein gedankenloses Ritual, kodifiziert und choreographiert nach den Launen eines Größenwahnsinnigen. Ein Nicken von Matthias, und seine Gefolgschaft warf sich vor ihm auf den Boden. Die Bewegung einer Augenbraue, und sie seufzten und stöhnten. Ich mußte unwillkürlich an die Maden denken, die sich blind in die Fleischbrocken auf dem Tisch in Garland Swopes Gewächshaus gebohrt hatten.
Ich hatte genug gesehen, kletterte von der Sonnenuhr hinab und ging verstohlen zur Tür. Die Wachposten näherten sich von rechts, braunbärtige Männer mit grimmigen, verschlossenen Gesichtern, in Gänsemarsch und Gleichschritt hintereinander. Ich duckte mich in den Schatten, bis sie vorbei waren. Als sie um die Ecke verschwunden waren, rannte ich über den Hof auf die vordere Tür zu, öffnete sie einen Spalt, lugte hinein und stellte fest, daß die Eingangshalle leer war. Hinter der Tür zur Sakristei hörte man entferntes, gedämpftes Stöhnen und das rhythmische Klatschen von Fleisch auf Fleisch.
Links war der Korridor, der vor dem Büro von Matthias endete. Ich lief nach rechts und wäre in meiner Eile beinahe über eine Kübelpalme gestolpert. Der Korridor war leer. Ich kam mir so auffällig vor wie eine Kakerlake auf einem Kühlschrank. Wenn man mich entdeckte, war ich ein toter Mann: Ich war immerhin Zeuge ihrer Koksorgie gewesen. Da ich unmöglich wissen konnte, wie lange es drüben in der Kirche noch weitergehen würde oder ob die Wachen das Innere der Gebäude in ihren Rundgang einbezogen, war höchste Eile geboten.
Ich durchsuchte die Wäschekammer, die Küche, die Bibliothek der Sektenmitglieder und sah mich nach verborgenen Gängen, falschen Wänden, geheimen Treppen und Tapetentüren um. Aber ich fand nichts dergleichen.
Mit einem Hauptschlüssel, den ich an Graffius’ Schlüsselbund entdeckt hatte, führte ich anschließend eine ergebnislose Durchsuchung sämtlicher Räume durch. Auf halbem Weg gab es falschen Alarm: eine plötzliche Bewegung unter der Decke einer der Pritschen. Einen herzlähmenden Augenblick lang glaubte ich, meine Suche sei zu Ende.
Aber unter der Decke lag ein dicker, beharrter Kerl mit einer hochroten Nase und offenem Mund: ein Sektenmitglied, das seine Erkältung ausschlief. Der Mann bewegte sich beim Licht meiner Taschenlampe, ließ einen Wind fahren und drehte sich zur Seite. Ich ging leise weiter.
Der nächste Raum war der von Delilah. Sie hatte ein paar ihrer alten Kritiken und Presseberichte aufbewahrt; sie lagen ganz unten in einer Schublade mit einfacher Baumwollunterwäsche. Abgesehen davon war ihr Schlafquartier so spartanisch wie das der anderen.
Ich ging von Raum zu Raum und überprüfte noch ein Dutzend Zellen, bis ich zu der kam, die Matthias gehörte, wie ich mich erinnerte.
Weitere Kostenlose Bücher