Flüchtig!
spontane Inspektion durchaus angebracht.
Houten war auf dem Weg zur ›Zuflucht‹ durch La Vista gefahren und an einer Gabelung außerhalb der Stadtgrenze rechts abgebogen. Ich wollte möglichst nicht gesehen werden und wenn ich mich recht an die Straßenkarte des Countys im Büro des Sheriffs erinnerte, war die Straße, auf der ich mich befand, der andere Ast der Gabelung. Ich fuhr also mit abgeschalteten Scheinwerfern weiter, bog an der Gabelung scharf links ab und war kurz danach in der Nähe des ehemaligen Klosters.
Wieder versteckte ich den Seville unter hohen Bäumen und ging zu Fuß bis zum Tor. Den Bolzenschneider hatte ich unter den Gürtel gesteckt, die Taschenlampe war in meiner Jackentasche und die Brechstange unter einem Ärmel verborgen. Bei einem Gewitter hätte ich die Blitze magisch angezogen.
Meine Hoffnung auf unbemerktes Eindringen wurde durch ein männliches Sektenmitglied zunichte gemacht, das innerhalb des Tores patrouillierte. Sein weißes Gewand leuchtete in der Dunkelheit und bauschte sich beim Auf und Abgehen. An der Schärpe, die er sich um die Taille gebunden hatte, hing ein Proviantbeutel aus Leder.
Aber ich war längst über den Punkt hinaus, an dem ich noch hätte umkehren können. Rasch legte ich mir einen Plan zurecht. Ich bewegte mich vorsichtig auf das Tor zu. Bei näherem Hinsehen erkannte ich, daß es sich bei dem Wachmann um Bruder Baron handelte, der früher Barry Graffius geheißen hatte. Das war mir sehr willkommen. Ich bin von Natur aus kein gewalttätiger Mensch und spürte deutliche Gewissensbisse wegen meines Vorhabens, aber wenn es jemand nicht anders verdient hatte, dann Graffius. Das vertrieb zwar nicht mein Schuldbewußtsein, reduzierte es jedoch auf ein erträgliches Maß.
Ich paßte meine Schritte den seinen an und näherte mich so. Dann lud ich mein Werkzeug ab, wartete, hinter hohem Gebüsch versteckt, und beobachtete ihn durch die Zweige. Er ging ein paar Minuten lang weiter auf und ab und machte es mir schließlich sehr leicht, als er stehenblieb und sich am Hintern kratzte. Ich zischte leise - er hörte das Geräusch und versuchte, dessen Quelle zu entdecken. Kam näher an das Tor heran und schaute heraus, wobei er wie ein Kaninchen schnüffelte.
Ich hielt den Atem an, bis er wieder weiterging, dann stehenblieb - diesmal absichtlich -, um zu lauschen. Ich zischte. Er griff unter sein Gewand, zog eine kleine Pistole hervor, trat auf das Gitter zu und zielte mit der Waffe in die Richtung, wo er das Geräusch vermutete.
Ich wartete, bis er noch dreimal stehengeblieben war und gelauscht hatte, bevor ich erneut zischte. Diesmal stieß er einen gedämpften Fluch aus und drückte den Bauch gegen die Eisenstangen des Gitters, die Augen weit aufgerissen vor Argwohn und Angst. Er bewegte die Hand mit der Waffe in einem Halbkreis wie eine Panzerkanone.
Als der Lauf in die entgegengesetzte Richtung zeigte, stürzte ich mich mit einem Satz auf ihn, packte seinen rechten Arm und riß ihn durch die Stangen nach draußen. Eine scharfe Drehung, so daß er einen Schmerzensschrei ausstieß und die Waffe fallenließ. Ich senkte meine Faust in seinen Solarplexus, und als ihm die Luft wegblieb, wandte ich noch einen kleinen Trick an, den mir Jaroslav beigebracht hatte. Ich packte ihn am Hals, tastete nach der richtigen Stelle, fand sie und drückte seine Halsschlagader zu.
Es wirkte prompt. Graffius wurde schlapp und verlor die Besinnung. Zugleich wurde sein Körper schwer; ich konnte ihn nicht mehr halten. Also ließ ich ihn vorsichtig zu Boden gleiten. Es war nicht ganz leicht durch das Gitter hindurch, aber mit einiger Mühe gelang es mir, ihn umzudrehen und die Schnur seines Vorratsbeutels von der Schärpe zu lösen. Meine Beute: eine Rolle Pfefferminzbonbons, eine kleine Plastiktüte mit Sonnenblumenkernen und ein Schlüsselbund.
Ich ließ ihm den Proviant, nahm die Schlüssel und sperrte das Tor auf. Nachdem ich das Werkzeug und seine Pistole an mich genommen hatte, ging ich hinein und versperrte das Tor wieder.
Graffius auszuziehen war schwerer, als ich dachte. Ich benutzte seine Kleidungsstücke, um ihn an Armen und Beinen zu fesseln. Als ich fertig war, atmete ich heftig. Ich achtete noch darauf, daß er durch die Nase genügend Luft bekam, dann steckte ich ihm eine seiner Socken als Knebel in den Mund.
Er würde früher oder später wieder zu sich kommen, und ich wollte nicht, daß er zu früh gefunden wurde, also nahm ich ihn auf die Schulter und schleppte
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