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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Methotrexat und Bestrahlung kombinieren. Einundachtzig Prozent der Patienten überleben drei Jahre und mehr ohne Beschwerden und Rückfälle. Das heißt, das ist die nationale Statistik; meine eigenen Zahlen sind noch besser, über neunzig Prozent. Ich beobachte eine wachsende Zahl von Kindern, die zwischen fünf und sieben Jahre alt sind, und es sieht sehr gut aus. Stell dir vor, Alex! Eine Krankheit, an der noch vor zehn Jahren beinahe jedes Kind gestorben ist, kann nun mit besten Aussichten geheilt werden.«
    Das Feuer hinter seinen Augen verstärkte sich noch.
    »Phantastisch«, sagte ich.
    »Genau das richtige Wort - phantastisch. Der Schlüssel heißt multimodale Chemotherapie. Mehr und bessere Medikamente in den richtigen Kombinationen.«
    Das Frühstück kam. Er legte zwei Brötchen auf seinen Teller, schnitt sie in kleine Stücke und steckte diese nacheinander in den Mund, und er war bereits fertig, bevor ich mein Frühstück auch nur halb gegessen hatte. Die Bedienung schenkte Kaffe ein. Er prüfte ihn, versah ihn mit Sahne, rührte ihn um und trank dann rasch. Anschließend tupfte er sich die Lippen ab und zupfte nichtvorhandene Krümel aus seinem Schnurrbart.
    »Bitte merke dir, daß ich das Wort geheilt verwendet habe. Man braucht also nicht mehr schüchtern von Verlängerung der Lebensaussichten zu sprechen. Wir haben das Wilmssche Tumor besiegt, wir haben die Hodgkinssche Krankheit besiegt. Als nächstes ist das Non-Hodgkinssche Lymphom dran. Denk an meine Worte, wir werden es in naher Zukunft in den meisten Fällen heilen können.«
    Ein drittes Brötchen wurde zerlegt und verschlungen. Er winkte der Bedienung nach dem Kaffee.
    Als sie weg war, sagte er: »Das ist eigentlich gar kein Kaffee, mein Freund. Es ist bestenfalls ein Heißgetränk. Meine Mutter konnte noch Kaffee kochen. Damals in Kuba bekamen wir immer die erste Ernte der Kaffeepflanzen. Einer der Diener, ein alter Mann namens José, hat die Bohnen mit der Hand gemahlen - das Mahlen ist äußerst wichtig! -, und nur dabei ist echter Kaffee herausgekommen.« Er trank einen Schluck und stieß die Tasse dann weg, nahm statt dessen ein Glas Wasser und leerte es. »Komm zu nur nach Hause, dann mache ich dir richtigen Kaffee.«
    Dabei fiel mir ein, daß ich drei Jahre lang mit ihm zusammengearbeitet hatte und ihn mindestens doppelt so lange kannte, ohne jemals bei ihm zu Hause gewesen zu sein.
    »Vielleicht nehme ich dich eines Tages beim Wort. Wo wohnst du eigentlich?«
    »Nicht weit von hier. Ich habe eine Eigentumswohnung am Los Feliz Boulevard. Ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, klein, aber für meine Bedürfnisse ausreichend. Wenn man allein lebt, soll man es sich so einfach wie möglich machen, findest du nicht?«
    »Ja, vermutlich.«
    »Du lebst doch auch allein, oder?«
    »Bis vor kurzem. Jetzt lebe ich mit einer wundervollen Frau zusammen.«
    »Gut, gut.« Die dunklen Augen schienen sich zu umwölken. »Frauen. Sicher, sie haben mein Leben bereichert. Aber auch total auseinandergerissen. Meine letzte Frau, Paula, hat jetzt das große Haus in Flintridge. Eine andere ist in Miami, die übrigen zwei sind weiß Gott wo. Jorgé - mein Zweitältester, der Sohn von Nina - sagte mir, daß seine Mutter in Paris ist, aber sie hat es nirgends lange ausgehalten.« Seine Gesichtsmuskeln wirkten schlapp, und er trommelte mit seinem Kaffeelöffel auf den Tisch. Dann fiel ihm etwas ein, was seine Stimmung sichtlich aufhellte.
    »Jorgé fängt nächstes Jahr mit dem Medizinstudium an, an der Hopkins-Universität.«
    »Meine Gratulation.«
    »Danke. Brillanter Junge, immer gewesen. Im Sommer besucht er mich und arbeitet im Labor mit. Ich bin stolz darauf, daß ich ihn dafür begeistern konnte. Die anderen sind nicht so gut drauf, weiß der Teufel, was sie einmal tun werden, aber ihre Mütter waren auch ganz anders als Nina. Du weißt, Nina war Konzertcellistin.«
    »Das habe ich nicht gewußt.«
    Er nahm wieder ein Brötchen und schnitt es in kleine Stücke.
    »Trinkst du dein Wasser?« fragte er.
    »Bitte, bediene dich.« Er trank das Glas aus.
    »Erzähl mir von den Swopes. Was gibt es da für ein Problem?«
    »Von der schlimmsten Sorte, Alex. Sie verweigern die Behandlung. Das heißt, sie wollen den Jungen nach Hause nehmen und ihn weiß Gott was für einer Kur unterziehen.«
    »Glaubst du, daß sie Anhänger der Ganzheitstheorie sind?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Möglich. Es sind Leute vom Land, aus La Vista, einem kleinen Kaff an der

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