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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Tod zu bewahren.«
    Maimon sprach mit ruhiger Autorität. Er hätte ebensogut als Houtens Sprachrohr auftreten können, aber statt dessen vertrat er sichtlich und mit Nachdruck die Interessen seines Mandanten. Ich nahm nicht an, daß er das meinetwegen tat, und war beeindruckt.
    Houtens Gesicht verdunkelte sich vor Zorn.
    »Der Junge ist nicht hier. Das weiß er so gut wie ich.«
    »Mein Mandant ist ein Empiriker. Er verläßt sich nicht auf die Aussagen anderer, sondern möchte sich selbst davon überzeugen.«
    »Kommt nicht in Frage, Ezra. Ich lasse nicht zu, daß er sich noch einmal dem Kloster nähert.«
    »Da gebe ich Ihnen recht. Das hieße nur neue Schwierigkeiten provozieren. Aber er wäre damit einverstanden, wenn Doktor Delaware die ›Zuflucht‹ für ihn durchsuchen würde. Er hat mir versprochen, seine Strafe zu bezahlen und widerstandslos zurückzufahren nach Los Angeles, wenn der Doktor nichts Verdächtiges gefunden hat.«
    Es war eine einfache Lösung, aber weder Houten noch ich waren darauf gekommen. Der Sheriff nicht, weil er kein Mann war, der gern Konzessionen machte, und in diesem Fall schon mehr nachgegeben hatte als üblich, und ich nicht, weil ich von Raouls Fanatismus zu Überwältigt war, um klar denken zu können.
    Der Sheriff brauchte eine Weile, um den Vorschlag des Anwalts zu verdauen.
    »Ich kann Matthias nicht zwingen, seinen Besitz für Doktor Delaware zu öffnen.«
    »Natürlich nicht. Er hat das Recht, ein solches Verlangen zu verweigern. Falls er es tut, können wir uns noch einmal mit der Sache befassen.«
    Ein großartig logischer Mensch. Houten wandte sich an mich:
    »Was meinen Sie? Sind Sie dazu bereit?«
    »Klar. Alles, was uns weiterbringt.«
    Houten ging in sein Büro, kam zurück und verkündete, daß Matthias mit dem Besuch einverstanden war. Maimon sprach noch einmal mit Raoul, betätigte den Summer, wurde von Bragdon befreit und ging, wobei er dem Sheriff sagte, er könne ihn notfalls jederzeit telefonisch erreichen. Houten setzte sich seinen Stetson auf und berührte geistesabwesend den Kolben seines Dienstrevolvers. Dann gingen er und ich die Treppe hinunter und hinaus aus dem Rathaus. Wir stiegen in einen weißen El Camino, den an beiden Vordertüren der Sheriffstern zierte. Er jagte den Motor hoch, der sich anhörte, als ob er frisiert wäre, und bog auf der Straße vor dem Rathaus nach rechts ab.
    Eine halbe Meile hinter der Stadtgrenze gabelte sich die Straße. Houten hielt sich rechts, fuhr schnell und geschickt und beschleunigte in Kurven, die Ortsfremde mit größerer Zurückhaltung gefahren hätten. Die Straße verengte sich und tauchte ein in den Schatten der am Rand wachsenden Koniferen. Jetzt wirbelten die Reifen des El Camino Staub auf. Ein Eselhase, der die Straße überqueren wollte, erstarrte, zitterte und sauste dann in die Deckung der hohen Bäume.
    Houten zog eine Chesterfield und ein Feuerzeug heraus, ohne die Geschwindigkeit zu verringern. Er fuhr noch zwei Meilen, sog dabei den Rauch seiner Zigarette ein und überblickte das Land mit den forschenden Augen des Polizeibeamten. Auf dem Kamm eines Hügels bog er abrupt ab, fuhr noch hundert Meter weit und hielt gleich danach vor einem schwarz lackierten, eisernen Doppeltor.
    Die Einfahrt zur ›Zuflucht‹ war in keiner Weise gekennzeichnet.
    Rechts und links vom Tor wucherten stachelige Kakteen, und über den einen Torpfosten ergossen sich wie eine Fontäne die rosafarbenen Blüten einer üppigen Bougainvillea. Der andere Pfosten war von einer Kletterrose mit scharlachroten Blüten berankt. Houten schaltete den Motor ab. Sofort umgab uns Stille. Und dazu das tiefe, geheimnisvolle Grün des Waldes.
    Houten drückte die Zigarette aus, kletterte aus seinem Fahrzeug und ging auf das Tor zu. Auf der einen Seite war ein großes, längliches Schloß angebracht, aber als er gegen das Tor drückte, ließ es sich widerstandslos öffnen.
    »Hier schätzt man die Ruhe«, sagte er. »Wir müssen den Rest des Wegs zu Fuß gehen.«
    Ein Pfad, eingefaßt von glatten braunen Natursteinen und gepflegten Sukkulentenbeeten, war quer durch den Wald ausgehauen worden. Er stieg an, und wir gingen mit raschen Schritten, wobei Houten das Tempo bestimmte. Der Sheriff ging ein scharfes Tempo, die Muskeln spannten sich unter seinen engen Hosenbeinen, und die Arme hielt er an den Seiten wie beim Militär. Kalifornische Eichelhäher schnarrten und flatterten aufgescheucht davon. Große, pelzige Bienen senkten ihre Rüssel in die

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