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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Schoß liegen. Ich nahm das Paket, warf es in einen Abfallkorb und ließ den Motor an. Raoul bewegte sich, wachte aber nicht auf, und als ich auf die Schnellstraße zurückkam, schnarchte er friedlich.
    Wir erreichten Los Angeles gegen sieben Uhr abends, gerade als sich der Verkehr auf den Knotenpunkten allmählich entwirrte. Als ich bei der Ausfahrt Los Felix abbog, schlug er die Augen auf:
    »Wo wohnst du eigentlich?«
    »Nein, bring mich zurück ins Krankenhaus.«
    »Du siehst so furchtbar aus - es ist nicht gut, wenn du dich in diesem Zustand dort sehen läßt.«
    »Ich muß. Helen wartet auf mich.«
    »Du jagst ihr höchstens einen Riesenschrecken ein. Zumindest solltest du erst nach Hause fahren und dich ein bißchen frischmachen.«
    »Ich habe Sachen zum Umziehen im Büro. Bitte, Alex.«
    Ich hob die Hände in einer Geste der Frustration und fuhr dann zum Western Pediatric. Nachdem ich auf dem Parkplatz für Ärzte angehalten hatte, ging ich mit ihm zum Eingang des Prinzley-Pavillons.
    »Danke«, sagte er und hielt dabei den Blick gesenkt.
    »Paß auf dich auf.«
    Auf dem Rückweg zum Wagen traf ich Beverly Lucas, die gerade Feierabend machte. Sie sah müde und erschöpft aus, und die übergroße Tasche schien sie zu Boden zu ziehen.
    »Alex, ich freue mich so, Sie zu sehen.«
    »Was ist los?«
    Sie schaute sich um und vergewisserte sich, daß uns niemand hören konnte.
    »Es ist wegen Augie. Er macht mir das Leben schwer, seit Ihr Freund ihn verhört hat, und nennt mich untreu, eine Kollaborateurin. Er versuchte sogar, mich bei der Visite vor den anderen zu blamieren; der leitende Arzt hat das gerade noch verhindert.«
    »Ein Schweinehund.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Das Schlimmste ist, daß ich ihn aus seiner Sicht durchaus verstehen kann. Wir waren uns einmal sehr nahe. Was er im Bett macht, geht niemanden etwas an.«
    Ich packte sie an den Schultern.
    »Sie haben völlig richtig gehandelt. Wenn Sie erst genügend Distanz gewonnen haben, werden Sie es einsehen. Und Sie dürfen nicht zulassen, daß er Sie jetzt auf diese Weise fertigmacht.«
    Sie war erschrocken über den harten Ton, mit dem ich es gesagt hatte.
    »Ich weiß, daß Sie recht haben, Alex - intellektuell. Aber er zerbricht, und das tut mir weh. Ich kann nicht gegen meine Gefühle an.«
    Sie begann zu weinen. Drei Schwestern kamen auf uns zu. Ich steuerte Beverly zur Seite und zum Treppenhaus des Pavillons.
    »Was meinen Sie mit der Bemerkung, daß er zerbricht?«
    »Er verhält sich seltsam. Nimmt mehr und trinkt mehr als gewöhnlich. Ich bin sicher, daß man ihn früher oder später dabei ertappt. Heute morgen hat er mich in ein Besprechungszimmer gezerrt, hat die Tür abgeschlossen und ist dann auf mich losgegangen.«
    Sie senkte den Kopf vor Verlegenheit.
    »Erst hat er gesagt, daß ich das beste war, was er jemals gehabt hat, und wollte es gleich wieder mit mir treiben. Als ich ihn stoppte, hat er ganz niedergeschmettert dreingeschaut. Dann hat er angefangen, auf Melendez-Lynch zu schimpfen - daß er ihn als Sündenbock ausgesucht hätte und den Fall Swope dazu benutzen würde, um sein Forschungsstipendium zu torpedieren. Und dann hat er angefangen zu lachen - ein unheimliches Lachen, Alex, voller Zorn und Haß. Er hat gesagt, er hätte noch einen Trumpf im Ärmel. Und dieser Melendez-Lynch würde ihn nicht so leicht loswerden.«
    »Hat er gesagt, was das für ein Trumpf ist?«
    »Ich habe ihn danach gefragt. Er hat wieder gelacht, und dann ist er gegangen. Alex, ich mache mir Sorgen. Ich war gerade unterwegs zum Ärztehaus, um sicher zu gehen, daß ihm nichts passiert ist.«
    Ich versuchte, ihr die Sorgen auszureden, aber sie war unbeirrbar. Dieses Mädchen hatte offenbar eine unendliche Kapazität für Schuldgefühle. Eines Tages würde sie einen wunderbaren Fußabstreifer für irgendeinen gemeinen Kerl abgeben.
    Es war klar, daß es ihr lieb gewesen wäre, wenn ich sie zu seinem Apartment begleitete, und ich erklärte mich bereit dazu trotz meiner Müdigkeit - für den Fall, daß es haarig werden würde. Und auf den vagen Verdacht hin, daß Valcroix tatsächlich einen Trumpf im Ärmel hatte und ihn sehen lassen würde…
    Die Wohnungen der Ärzte befanden sich auf der anderen Seite des Boulevards in einem reinen Zweckbau: drei Stockwerke nackter Beton über einem unterirdischen Parkplatz. Ein paar Fenster waren mit Pflanzen und Blumenarrangements geschmückt, dennoch sah das Gebäude so aus wie das, was es war: eine billige

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