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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Wohnmöglichkeit.
    Ein älterer schwarzer Wachmann war am Eingang postiert - es hatte Überfälle in der Nachbarschaft gegeben, und die Bewohner des Hauses hatten um mehr Sicherheit gebeten. Er schaute unsere Dienstausweise an und ließ uns passieren.
    Valcroix’ Apartment war im ersten Stock.
    »Es ist das mit der roten Tür«, sagte Beverly und zeigte darauf.
    Der Korridor und alle anderen Türen waren beigefarben gestrichen. Die Tür zu Valcroix’ Apartment hingegen war scharlachrot und stach hervor wie eine Wunde.
    »Selbstgemacht?« Ich strich mit der Hand über das Holz, das rauh war und Blasen aufwies. An der Tür klebte ein Ausschnitt aus einer Comicserie; behaarte Leute, die Pillen einwarfen und in Technicolor träumten, wobei ihre sexuellen Phantasien recht ausführlich und exzessiv dargestellt waren.
    »Ich glaube.«
    Sie klopfte mehrmals. Als sich nichts rührte, biß sie sich nervös auf die Unterlippe.
    »Vielleicht ist er weggegangen«, gab ich zu bedenken.
    »Nein. Er bleibt immer zu Hause, wenn er nicht gerade Bereitschaftsdienst hat. Das war auch etwas bei unserer Freundschaft, was mich gestört hat. Er ist nie mit mir ausgegangen.«
    Ich erinnerte sie nicht daran, daß sie ihn immerhin in einem Restaurant in Begleitung von Nona Swope gesehen hatte. Kein Zweifel, daß er einer jener Männer war, die selbst knauserten und von anderen Großzügigkeit verlangten. Auch seine Affären mit Frauen durften nicht mehr Kosten verursachen, als unbedingt nötig war. Bei ihren bescheidenen Erwartungen mußte Beverly in der Tat eine Traumfrau für ihn gewesen sein. So lange, bis er ihrer überdrüssig geworden war.
    »Ich mache mir Sorgen, Alex. Ich weiß, daß er da drinnen ist. Vielleicht hat er eine Überdosis genommen - oder was weiß ich!«
    Nichts, was ich sagte, reichte aus, um ihre Angst zu zerstreuen. Schließlich gingen wir hinunter und überzeugten den Wachmann davon, daß es notwendig war, mit seinem Zentralschlüssel die rote Tür aufzusperren.
    »Ich kann dazu gar nix sagen, Doktor«, erklärte er, sperrte aber das Apartment auf.
    Hinter der Tür erwartete uns ein gigantischer Saustall. Schmutzige Wäsche türmte sich auf dem fleckigen Teppich. Das Bett war ungemacht. Auf dem Nachttisch stand ein Aschenbecher, der von Zigaretten und Marihuanastummeln überquoll. Daneben lag ein Clip zum Rauchen der Joints in der Form von Frauenbeinen. Medizinische Lehrbücher und Comichefte lagen auf dem Fußboden verstreut. In der Spüle der Kochnische stapelte sich ungewaschenes Geschirr in einer trüben Brühe. Über uns summte eine Fliege.
    Niemand zu Hause.
    Beverly ging durch den Raum und begann unwillkürlich ein wenig aufzuräumen. Der Wachmann schaute sie neugierig an.
    »Kommen Sie«, sagte ich mit überraschender Heftigkeit. »Er ist nicht hier. Gehen wir.«
    Der Wachmann räusperte sich.
    Sie zog die Decke über das Bett, schaute sich noch einmal um und ging dann zur Tür.
    Draußen vor dem Gebäude fragte sie, ob wir die Polizei verständigen sollten.
    »Wozu denn?« fuhr ich sie scharf an. »Weil ein erwachsener Mann nicht zu Hause in seinem Apartment ist? Das würde niemand ernst nehmen. Und mit gutem Grund.«
    Sie sah mich verletzt an und wollte noch weiter darüber diskutieren, aber ich entschuldigte mich. Ich war müde, mein Kopf schmerzte, meine Glieder taten weh und ich fühlte mich, als ob ich eine Grippe ausbrüten würde. Außerdem war mein Konto in Sachen Selbstlosigkeit inzwischen stark überzogen.
    Schweigend überquerten wir den Boulevard und trennten uns am Parkplatz.
    Als ich nach Hause kam, fühlte ich mich richtig elend: fiebrig, steif und mit Gliederschmerzen am ganzen Körper. Es gab allerdings einen Lichtblick: einen Expreßbrief von Robin, in dem sie ihren Abflug aus Tokio in einer Woche ankündigte. Einer der japanischen Direktoren besaß eine Eigentumswohnung auf Kauai, und er hatte ihr angeboten, sie nach Belieben zu benutzen. Sie hoffte, daß ich sie in Honolulu treffen und zwei Wochen für Sonne und Vergnügen erübrigen könne. Ich rief bei der Western Union an und gab ein Telegramm an sie auf mit dem Text: »Zu allen Punkten ja.«
    Nach einem heißen Bad fühlte ich mich nicht wesentlich besser. Und auch ein kühler Drink und Selbsthypnose zeigten keine Wirkung. Ich schleppte mich hinunter, um die Koi zu füttern, blieb aber nicht, um ihnen beim Fressen zuzuschauen. Als ich wieder im Haus war, legte ich eine Platte von Leo Kottke auf, nahm die Zeitung und den Rest meiner

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