Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
Vom Netzwerk:
über den Bogen und schrieb weiter.
    »Ich muss gehen. Glaubst du, dass du allein zurechtkommst, bis Großmutter zurückkehrt?«
    Gern hätte er sie gebeten zu bleiben. Doch er nickte. »Ja, natürlich.« Wahrscheinlich hatte er einfach Angst, allein zu sein, Angst vor der hungrigen Dunkelheit da draußen, davor, dass so etwas wie vorhin noch einmal passierte. Aber das würde es nicht. Er hatte sich jetzt im Griff, er hatte … sich im Griff. Der schwarze Vogel war fort, im Feuerkorb verbrannt.
    Nachdenklich zog Talanna die Stirn in Falten. »Eigentlich ist es schade, dass wir deinen Vogel verbrennen mussten. Er war eher schrecklich als schön, aber er hatte … Kraft.«
    Die Worte erfüllten Adeen mit einer zögerlichen Wärme. »Der Herrscher hätte das Bild auf alle Fälle vernichten lassen, wenn es ihm in die Hände gefallen wäre, selbst wenn es nicht auf Akademie-Papier gemalt gewesen wäre. Außerdem bin ich ganz froh, wenn ich es nicht mehr sehen muss. Und … danke für deine Hilfe.«

    Adeen arbeitete, versuchte, Schlaf zu finden, und wartete darauf, dass Talanna zurückkehrte, wie sie gesagt hatte. Inmitten der Kälte und Schwärze dieser Absteige, die zu seiner winzigen Welt geworden war, schien sie die Flamme zu sein, von der Licht und Wärme ausgingen. In der Dunkelheit vor den Fenstern und in seinem Kopf lauerte der schwarze Vogel auf ihn.
    Der Gedanke an Talanna gab ihm Kraft. Aber er durfte nicht zu viel an sie denken, er musste sich konzentrieren. Seine Aufgabe war wichtig, das Leben von Nemiz und seinen Leuten hing davon ab, wie sorgsam er jedes Symbol auf das Papier übertrug.
Da wir uns schon auf dieses Himmelfahrtskommando eingelassen haben, soll es nicht an meinen Schriftrollen scheitern. Wenn Nemiz’ Plan genauso perfekt ist, haben wir vielleicht sogar eine Chance.
    Am Abend stieg Adeen zum Eingang des Museums hinauf, starrte in den Nieselregen und auf die heruntergekommenen, verlassenen Häuser, aber Talanna kam nicht. Er versuchte sich einzureden, dass ihr nur etwas dazwischengekommen sein musste, dass sie schon bald auftauchen würde, aber was, wenn Charral herausgefunden hatte, dass seine Verlobte mit den Rebellen zusammenarbeitete? Was würden ihr ihre Herkunft und ihre Magie dann noch nützen? Er löcherte Großmutter mit Fragen darüber, was Talanna aufgehalten haben könnte, aber die alte Frau konnte ihm auch nicht helfen. »Denk nicht an sie, Junge«, sagte sie. »Wenn es ihr gutgeht, wird sie bald kommen. Wenn nicht, dann können wir nichts für sie tun.«
    Und dann, einen Tag später, stand Talanna abends auf der Türschwelle, außer Atem und wie üblich mit einem prall gefüllten Bündel über der Schulter. Die Kapuze hatte sie sich tief in die Stirn gezogen. Mit einem Blick erkannte Adeen an ihrem abgehärmten Gesicht und den Schatten unter ihren Augen, dass etwas nicht stimmte. Er sprang von seinem Schemel auf und hätte beinahe die Tinte verschüttet. »Talanna, wo warst du denn?« Wie von selbst kamen die Worte aus seinem Mund. »Geht es dir gut?«
    Sie murmelte eine Begrüßung, warf ihren Beutel auf den Tisch und löste den Knoten. »Das ist meine letzte Lieferung. Hier, Papier, Tinte, eine neue Vorlage für einen Feuerzauber … die Schriftrollen, die du schon fertiggestellt hast, solltest du für den Transport vorbereiten. Vielleicht musst du sie bald zu Nemiz bringen, wenn ich es nicht mehr kann.«
    »Die letzte Lieferung?«, wiederholte Adeen. »Was meinst du damit?«
    »Ihr müsst ohne mich aus der Stadt fliehen.«
    Adeen konnte nicht fassen, was er hörte, und er fand keine Worte für das, was er fühlte. »Aber … Nemiz verlässt sich doch auf dich!«
    »Ja, das weiß ich. Ich bin für ihn so eine Art Waffenarsenal auf zwei Beinen.« Für einen Augenblick verzog sich ihr Mund zu einem bitteren Lächeln, das Adeen ins Herz schnitt.
    »So denkt Nemiz nicht über dich.«
    »Vergiss, was ich gesagt habe. Wirf jetzt lieber einen Blick auf diese Vorlage.«
    Aber in diesem Moment interessierte Adeen die Vorlage nicht. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, als du gestern nicht gekommen bist, verstehst du? Und so, wie du aussiehst, mache ich mir jetzt erst recht Sorgen! Ich möchte jetzt wissen, was passiert ist, und warum du so bedrückt bist.«
    Talanna zögerte kurz, dann schlug sie die Kapuze zurück. Sie hatte keine Haare mehr. Nur die Farbe ihrer Augenbrauen verriet noch, dass sie einmal ausgesehen hatte, als stünde ihr Kopf in Flammen. Erschreckend verletzlich wirkte

Weitere Kostenlose Bücher