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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
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dem Messer, um es neu anzuspitzen. Die Klinge blitzte und warf zuckende Lichtflecken auf die Wände. Gedankenverloren spielte er mit dem Messer. Plötzlich glitt es ihm aus der Hand und rollte über ein leeres Blatt, ehe es liegen blieb. Adeen sah die Spur aus Blutflecken, die es zurückgelassen hatte, Schmerz fühlte er nicht.
    Von einem Moment auf den anderen schien etwas in ihm zu kippen, etwas Schwarzes breitete die Schwingen aus, verschlang ihn in einem Wirbel aus Glut und Asche. Er ließ das Schreibrohr fallen, tauchte den Finger in das Blut, verrieb es auf dem Papier, goss Tinte dazu. Es kostete ihn Mühe, als müsse er alle Kraft dafür aufwenden, aber zugleich konnte er nicht aufhören. Seine Hände wussten, was sie malten, auch wenn es sein Kopf nicht wusste: Der Vogel, den er im Traum gesehen hatte, entfaltete seine Flügel, erhob sich von den Blättern. Sein Schweif, feurig wie der eines Kometen, zog sich bis auf den Boden hinab, tränkte den festgetretenen Lehm mit Blut und Tinte.
    In Adeens Ohren rauschte es. Er starrte auf das Bild, und es lebte: Der Wind bewegte die Federn, der Schnabel zuckte. So gut war ihm noch nie etwas gelungen – wenn Rasmi es nur sehen könnte! Doch zugleich erfüllte ihn der Anblick des Vogels mit Entsetzen. Im Traum hatte er sich auf Adeen gestürzt, ihn angefallen, und auch jetzt konnte er erkennen, wie sich der Hals emporbog, wie der scharfe Schnabel nach ihm zielte wie ein Dolch –
    Er sprang zurück, warf den Schemel um.
    »Was tust du da?«
    Adeen stieß mit den Schultern rückwärts gegen die Wand. Er keuchte, und das Herz hämmerte ihm bis in die Schläfen. In der Tür stand Talanna, ein Bündel über der Schulter.
    »Ist alles in Ordnung? Du blutest.«
    Adeen holte tief Luft. Auf dem Tisch lagen fleckige Blätter, die Tinte war verspritzt, als hätte ein Disruptionszauber eingeschlagen. Er fühlte sich schwach und elend, seine Beine schienen ihn nicht mehr recht tragen zu wollen. Von beiden Seiten färbte sich der Raum langsam grau. Das Nächste, was er wusste, war, dass er auf dem Boden saß, den Rücken an die Wand gelehnt. Talanna hockte neben ihm und wischte ihm mit einem nassen Lappen und etwas Essig das Blut von der Hand. Erst jetzt spürte er, wie heftig es brannte. Als er sah, dass seine linke Hand und der gesamte Unterarm mit Schnitten übersät waren, wurde ihm plötzlich kalt.
    »Bist du noch ganz richtig im Kopf? Hast du nicht schon genug Blut verloren?« Talanna schimpfte mit ihm, aber sie klang eher erschrocken als verärgert. »Du willst ja wohl nicht behaupten, dass dein Messer plötzlich lebendig geworden ist und dich angegriffen hat? Eine verrückte Krähe – am Ende hat der Herrscher doch recht mit dem, was er behauptet!«
    »Was … behauptet er denn?«
    Unter ihrer Kapuze hervor warf Talanna Adeen einen sonderbaren Blick zu. »Krähen … ach, vergiss es. Halt still, ich bin gleich fertig.«
    Sie half ihm auf die Beine. Der Raum schwankte, doch Adeen kämpfte darum, sich auf den Füßen zu halten. Er wollte sich vor Talanna nicht noch mehr blamieren.
    »Tut mir leid«, murmelte er. »Ich …« Aber die Worte erstarben ihm in der Kehle.
    Talanna betrachtete das Chaos, das er auf dem Tisch hinterlassen hatte. Es ekelte ihn an – alles war voller Blut und Tinte, und aus dem Schwarz und Rot erhob sich der Vogel, nur zum Teil auf Papier: Tisch und Boden waren ringsum bespritzt. Das struppige schwarze Ding ähnelte mehr den zufälligen Mustern, die Rost in Metall fraß, als einem Gemälde.
    »Mach es weg«, sagte Talanna. »Mach es sofort weg!«
    Adeen fragte nicht einmal danach, warum sie das wollte. Mit seiner unverletzten Hand griff er nach den beschmierten Papierbögen und knüllte sie zusammen. Talanna warf sie in den Feuerkorb, und gierig fraßen sich die Flammen hinein.
    Erst als das Papier zu weißer Asche verbrannt war, hörte Adeen Talanna aufatmen. »Was glaubst du, was du hier tust?«, fragte sie. »Das Papier ist mit Erdmaterial versetzt. Du kannst nicht einfach irgendetwas draufmalen, von dem du nicht weißt, was es bewirkt! Schon gar nicht mit Blut!«
    »Ich weiß«, antwortete Adeen kleinlaut. »Da war diese Spur aus Blut auf dem Papier, und plötzlich sah ich …« Er unterbrach sich. »Das klingt verrückt, oder?«
    »Allerdings.«
    Adeen ließ sich auf den Schemel sinken und starrte schweigend auf die Verwüstung, die er angerichtet hatte. Nur wenige leere Bögen waren übrig geblieben. Zum Glück hatte wenigstens die Vorlage nur

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