Flügel aus Asche
persönlich.«
»Das werde ich.« Adeen zögerte. »Schwärmer … du hast gerade gesagt, du warst ein Schüler der Mysterien. Was bedeutet das? Bist du auch ein Magier?«
»Nein, nein. Ich bin nichts Besonderes. Wir Mysterienschüler haben bloß gemacht, was alle anderen Menschen auch tun: Fragen stellen und versuchen, sie zu beantworten. Woher kommt die Magie? Was ist Gerechtigkeit? Warum fliegen die Felsen, auf denen Rashija gebaut ist? Leben Menschen auf der Rückseite des Mondes? Und wenn ja, warum fallen sie von da oben nicht herunter?«
Schwärmer sprach, als wäre das alles ein großer Witz, dennoch sah Adeen die Trauer in seinen Augen, Trauer um die verlorene Vergangenheit. Und er musste sich eingestehen, dass ihm viele dieser Fragen nie in den Sinn gekommen wären. »Habt ihr Antworten gefunden?«
»Es würde keinen Spaß machen, wenn die Antworten klar wären, oder?«
Nun musste Adeen lachen. »In Rashija hätte man gesagt, dass du verrückt –« Er verstummte mitten im Satz, denn Schwärmer hatte ihm plötzlich die Hand auf den Arm gelegt und presste einen Finger auf die Lippen.
Am Fuß des Hangs, ein Stück entfernt, ritt ein Mann auf einer Skada langsam durch den Wald. Adeen erkannte den roten Umhang von Rashijas Militärmagiern und den Stab, den der Mann quer über dem Rücken trug, damit er ihn beim Reiten nicht behinderte.
Schwärmer zerrte ihn zu Boden. Nebeneinander lagen sie im feuchten Laub und spähten mit angehaltenem Atem über die Kante.
Der Reiter kam näher. Er hatte seinen Helm abgenommen, und sein helles Haar glänzte im Morgenlicht, während er aufmerksam die Umgebung musterte.
Adeen versuchte, sein Gewicht gleichmäßig zu verteilen, aber es gelang ihm nicht. Die Blätter raschelten unter ihm, so still er sich auch verhielt, und jedes leise Rascheln stach in seinen Ohren und ließ seine Hände feucht werden.
Der Reiter hob den Kopf und blickte den Hang empor. Rasch schob sich Adeen rückwärts und wusste im gleichen Moment, dass er zu spät reagiert hatte. Einige Blätter lösten sich und schwebten langsam zu Boden.
»Halt! Wer ist da?«, drang die Stimme des Magiers zu ihnen herauf.
Er wird uns töten. Und dann wird er das Lager entdecken.
Adeen wusste, dass er und Schwärmer selbst zu zweit gegen einen solchen Gegner wehrlos waren.
Wenn es nur ein Vogel wäre, den er gehört hat … ein Vogel, der hier neben mir im Laub scharrt, eine Krähe … sie flattert auf, kreist einmal über seinem Kopf, setzt sich dann auf einen Baum, betrachtet ihn mit schief gelegtem Kopf und lässt ihr Krächzen hören. Der Magier runzelt die Stirn, dann zuckt er die Achseln und treibt seine Skada weiter, während die Krähe fortflattert …
Adeen hatte das Gefühl, aus einer Art Betäubung zu erwachen. In seinen Ohren klang noch das Krächzen der Krähe. Seine Lunge brannte, als hätte er zu lange die Luft angehalten, und er rang nach Atem. Schwärmers Hand auf seinem Rücken hielt ihn zu Boden gedrückt. Erst, als sich sein Griff löste, wagte Adeen, den Kopf zu heben.
»Er ist weg!«, flüsterte Schwärmer und richtete sich steifbeinig auf. »Bei den Göttern, so nah am Lager haben sich die Späher bisher nicht herumgetrieben. Wir müssen Keyla sofort benachrichtigen. Wenn dieser Vogel nicht gewesen wäre, hätte der Kerl uns erwischt.« Er warf Adeen einen scharfen Blick zu. »Seltsam, wie diese Krähe auf einmal aus dem Nichts erschienen ist, gerade im richtigen Moment.«
»Ich weiß nicht, was du meinst.« Adeen stand auf, er fühlte sich zittrig, als hätte ihn ein Teil seiner Kraft plötzlich verlassen.
»Ein schwarzer Vogel, ja, aber bei genauerem Hinsehen nicht viel mehr als eine Handvoll Erde, die der Wind umherwirbelt. Gut, dass unser Freund da unten nicht so genau hingesehen hat, was?«
Adeen erwiderte Schwärmers Blick und wusste nichts zu sagen.
»Keyla hatte von Anfang an recht.« Der alte Mann klang nicht feindselig, nur nachdenklich. »Du bist ein Magier.«
»Das ist unmöglich.«
»Unmöglich ist das Lieblingswort derer, die ein Rätsel scheuen. Du bist ein Magier und weißt es nicht einmal.«
»Er wird in Eisen gefesselt. An Händen und Füßen.«
»Und dann tragen wir ihn umher und füttern ihn mit einem großen Löffel.« Schwärmer hob die Augenbrauen und sah Keyla amüsiert an. »Keyla, er ist kein Feind. Wäre er das, hätte er den Magier auf uns aufmerksam gemacht.«
»Und nun versucht er, sich unser Vertrauen zu erschleichen.«
»Das glaube ich nicht. Er
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