Flügel aus Asche
braucht Freunde dringender als wir. Außerdem ist er jung und kann deutlich mehr Zeltstangen schleppen als ich mit meinen alten Knochen. Ganz zu schweigen von dem Nutzen, den er für uns im Kampf hätte.«
Adeen stand daneben, während Keyla und Schwärmer über ihn sprachen, misstrauisch beäugt von Keylas Leuten. Sein Gesicht war heiß, als hätte er etwas getan, wofür er sich schämen müsste.
»Du wirst das verantworten«, sagte Keyla zu Schwärmer. »Und du wirst auch dafür sorgen, dass er uns bei den anstehenden Kämpfen hilft. Nun geh – wir haben viel zu tun.«
»Wie du meinst, Keyla.«
Er bedeutete Adeen, ihm zu folgen, und sie verließen das Zelt der Anführerin. Ringsum im Lager herrschte bereits Unruhe. Keylas Leute begannen, die Zelte abzubrechen und das Gepäck zusammenzuschnüren. Alles ging rasch und leise vor sich, ohne dass jemand Befehle gab. Die Morgensonne schien nun bereits durch die Blätter und tauchte das Lager in fahles gelbliches Licht.
»Tut mir leid«, sagte Schwärmer zu Adeen. Er wirkte zerknirscht, oder spielte er die Zerknirschung nur? »Nun hängst du mit drin.«
»Was meinte sie mit dem bevorstehenden Kampf?«, erkundigte sich Adeen.
»Wir warten darauf, dass Rashija landet. Aber nicht nur wir, die Freien von Seyk – aus allen Provinzen und freien Ländern ringsum versammeln sich Truppen. Sobald die Stadt landet, werden wir sie angreifen. Keyla würde jetzt sagen, dass wir ihr nicht erlauben werden, wieder in den Himmel aufzusteigen und ihre Tyrannenherrschaft fortzusetzen.«
»Das klingt wie etwas, das auch Nemiz gesagt haben könnte.« Die Aussicht auf neue Kämpfe gefiel Adeen nicht, obwohl er nachvollziehen konnte, was Keyla und ihre Leute antrieb. »Du hättest mich nicht in euren Krieg hineinziehen dürfen.«
»Willst du nicht gegen Rashija kämpfen? Du hast selbst unter der Ungerechtigkeit des Herrschers gelitten.«
»Nicht so sehr wie andere.« Adeen dachte an Talanna und an ihre Verzweiflung, die sie ihm in der winzigen Kammer im Museum anvertraut hatte. »Ich weiß, es klingt lächerlich, aber ich habe mir am meisten gewünscht, frei zu sein … wegen der Bilder.«
Schwärmer warf ihm einen scharfen Blick zu. »Weil du deine Ideen ungestört umsetzen wolltest?«
»Nein.« Erst jetzt, da er darüber sprach, wurde es Adeen bewusst. »Meine Ideen waren nie so wichtig. Aber ich habe immer davon geträumt, die Bilder anderer Menschen zu betrachten, solche, die nicht unter Zwang entstanden sind. Dort in der Stadt habe ich einige gesehen, aber nur wenige. Sie sind jetzt sicher zerstört.«
»Du bist bescheiden, mein sonderbarer junger Freund. Aber die Bilder, von denen du sprichst, wirst du nie sehen, wenn Seyk und seine Nachbarländer weiter von Rashija beherrscht werden.«
Adeen wusste, dass Schwärmer die Wahrheit sagte, aber er war noch immer verärgert. »Ich hätte mich gern selbst dafür entschieden, diesen Kampf aufzunehmen.«
»Das kannst du immer noch. Ich musste Keyla gegenüber sagen, dass du uns von Nutzen sein wirst, aber ich werde dich nicht unter Druck setzen. Womöglich sind deine neu erwachten magischen Kräfte doch nicht so groß, dass sie uns nützen könnten, he?«
Adeen wich Schwärmers Blick aus. Sein Leben lang hatte er sich diese Kräfte gewünscht, um sich wehren zu können, aber zugleich hatte er gewusst, dass dieser Wunsch unerfüllbar war. Und jetzt wagte er nicht einmal, sich zu freuen, sondern war erschüttert und gelähmt von der Vorstellung, über eigene Macht zu verfügen, selbst wenn sie vielleicht nur gering war. Sein Körper, der Himmel über seinem Kopf, die Luft in seinen Lungen, alles erschien ihm fremd.
Ein wenig hilflos zuckte er die Achseln. »Glaubt Keyla denn, dass sie den Kampf überhaupt gewinnen kann? Die Magierkrieger des Herrschers und die Draquer sind mächtige Gegner, und ihr habt nicht einmal anständige Rüstungen …«
»Wir sind nicht völlig ohne Macht. Keyla ist eine ganz passable Erdmagierin. Und die Himmelsgeborenen wandeln nicht gern auf dem Leib der Erde mit ihren glänzenden Sohlen.« Der letzte Satz klang, als zitiere Schwärmer ein Lied oder Gedicht.
»Ich verstehe nicht.«
»Nun, sie mögen den Himmel beherrschen, aber dies ist unser Land: die Mutter Erde. Es ist unsere Heimat, und hier sind wir im Vorteil.«
Adeen hatte das Gefühl, dass noch mehr hinter Schwärmers Worten steckte, aber in diesem Augenblick hörte er Talannas Stimme, die seinen Namen rief, und wandte sich um.
Sie kam
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