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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
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gerötetem Gesicht hatte er sich an die Mauer gelehnt. Seine wenigen Haare klebten ihm an der Stirn, und sogar sein Bart war strähnig von Schweiß. Er brauchte die Ruhepause dringend, und so drängten sie sich um ihn und warteten ab.
    Adeen zählte seine Herzschläge und versuchte zu schätzen, wie viel Zeit vergangen war, seit ihm Talannas Fehlen aufgefallen war.
    Doch solange sie auch warteten, sie blieb fort.
    »Die Draquerin ist zu ihren Leuten zurück«, sagte einer der Soldaten grimmig. »Wenn wir noch länger warten, führt sie eine Mörderbande direkt zu uns. Wir müssen zusehen, dass wir uns vom Acker machen.«
    »Das ist nicht wahr!« Halb glaubte Adeen selbst an das, was er sagte – halb nicht. »Du weißt, dass sie auf unserer Seite steht. Vielleicht ist ihr etwas zugestoßen. Wir müssen sie finden. Einer von uns sollte zurückgehen, nach ihr suchen und …«
    »Ich gehe.« Yoluan war offenbar bereit, jedes von Adeens Worten sofort wie einen Befehl auszuführen.
    »Nein, ich sollte gehen.« Was auch immer Talanna von der Gruppe weggetrieben hatte, Adeen wollte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, und auf keinen Fall wollte er, dass einer der Soldaten diese Aufgabe übernahm. Sie urteilten viel zu rasch und würden Talanna im Zweifelsfall eher töten, als ihre Geschichte anzuhören.
    »Adeen, du bleibst hier.« Schwärmers Stimme klang ungewohnt hart. »Wir können nicht beide Experten für magische Schriftrollen verlieren. Yoluan sollte gehen, er kennt sich in der Stadt aus. Wir treffen uns in einer Stunde – Adeen, wo ist ein sicherer Ort in der Nähe der Akademie?«
    »An der Grube. Dorthin kommen die Wachen fast nie.«
    »In einer Stunde an der Grube.« Yoluan nickte. »Verstanden.« Die Grube war eine Müllhalde unterhalb des Marktplatzes, die von den Reichen genutzt wurde. Wenn sich Rashija auf ihrem Flug durch die Luft befand, sorgte der ständige Wind dafür, dass der Gestank in Richtung der Arbeiterquartiere geweht wurde. Immer sah man hier ausgemergelte Gestalten, schwarz von Schmutz, die über die Abfälle kletterten und nach essbaren Überresten suchten. Am Rand der Grube handelten die Skrupellosesten unter ihnen mit Rauschmitteln und schartigen Waffen, die unter den Schlägerbanden in den Arbeitervierteln besonders beliebt waren. Dennoch kamen nur selten Wachen an diesen Ort, um dem Treiben ein Ende zu setzen.
    Schwärmer sah ihn ernst an. »Yoluan, wenn du nicht dort bist, haben wir keine Wahl. Wir müssen die Akademie ohne dich betreten.«
    Das schien Yoluan nicht zu beunruhigen. »Ich finde Talanna schon. Und du wirst sehen, sie ist keine Verräterin.«
    Die letzten Worte waren an den Soldaten gerichtet. Während Yoluan in die Seitengasse eintauchte, durch die sie gekommen waren, empfand Adeen einen Stich des Bedauerns. So hätte er vor kurzem selbst noch über Talanna gesprochen. Nun war Yoluan wohl der Einzige von ihnen, der ihr noch vollständig vertraute, und das nur, weil Adeen ihm gegenüber nichts über ihren Verrat erwähnt hatte.
    Außerdem war Yoluan zusammen mit Schwärmer unter allen Kämpfern wohl als Einziger so etwas wie ein Freund für ihn.
Welche Mächte auch immer über unser Schicksal entscheiden, sie sollen dafür sorgen, dass er unverletzt zurückkehrt.

    Schwärmer stolzierte die Straße entlang, als hätte er in seinem Leben nie etwas anderes getan, und sie folgten ihm. Obwohl ihm die Robe zu groß war und um seine Beine schlackerte, gelang es ihm, dieselbe arrogante Würde in seine Schritte zu legen, wie Adeen sie oft bei den Akademiemagiern gesehen hatte. Kein Zweifel, dass ihn ein flüchtiger Beobachter für ein Mitglied der Oberschicht halten musste. Er bewunderte die Schauspielkunst des alten Mannes. Einer genaueren Überprüfung würde ihre Verkleidung natürlich nicht standhalten. Doch als sie allmählich in die Innenstadt vordrangen, huschten die wenigen Menschen, denen sie begegneten, mit eingezogenem Kopf an ihnen vorbei, und einige wechselten sogar die Straßenseite. Für die einfachen Leute schienen ihre Kostüme überzeugend genug zu sein.
    Nachdem Yoluan sie verlassen hatte, blieb Adeen als einziger Ortskundiger übrig, um ihnen den Weg durch Rashija zu weisen. Zum Glück kannte er sich in den Stadtvierteln nahe der Akademie ein wenig aus, und für den Notfall hatten sie eine Karte. Die war allerdings grob und enthielt keine Zeichnungen der vielen winzigen Gassen, die sich zwischen den Häusern der Wohn- und Geschäftsviertel

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