Flügel aus Asche
zusätzlich zu ihren schweren Rüstungen Drachenhelme übergestülpt und boten für Adeens Augen einen beunruhigenden Anblick. Bewaffnet waren sie alle: Adeen mit einem Dolch, da seine Arme nicht stark genug waren, um eine große Klinge zu schwingen, Schwärmer mit einem Stab, alle Übrigen mit Schwertern.
Sie hofften, dass ihre Verkleidungen ausreichen würden, um unbehelligt zur Akademie zu gelangen. Talanna, die sich als Einzige gründlich mit den militärischen Rängen Rashijas auskannte, hatte angemerkt, dass sie eine verdächtig bunte Truppe bildeten: einfache Fußsoldaten, eine Kampfmagierin und ein Magiestratege – mit dem Letzten meinte sie Schwärmer. Falls jemand anfangen sollte, Fragen zu stellen, war sie diejenige, die für sie sprechen würde.
Über ihnen wölbte sich der kalte, blauschwarze Winterhimmel. Es war eine klare Nacht, und trotz der Dunkelheit ließ sich erkennen, dass sich Rashija bereits so tief auf den Vulkankrater hinabgesenkt hatte, dass die verdrehte Spitze an ihrer Unterseite die Erde berühren musste. Sobald die Stadt aufgesetzt hatte, würde ihre Spitze vollständig im Krater verschwunden sein, so dass sich die Platte ohne Schwierigkeiten betreten ließ. Weder die Stadt noch der Berg waren zu erkennen. Doch ihre Umrisse ließen sich dort erahnen, wo sie die Sterne verdunkelten: ein Fleck aus bedrohlicher, massiver Schwärze.
Adeen fröstelte. Trotz des Umhangs hielt ihn die Rüstung nicht so warm wie die Kleidung, die er bisher getragen hatte. Wenigstens war sie leicht und behinderte ihn nicht allzu sehr.
»Glaubst du, wir schaffen es?«, fragte Yoluans Stimme neben ihm.
»Ja.« Bei all den Einsatzbesprechungen hatte sich Adeen wieder und wieder vorgestellt, wie sie über die Straßen von Rashija schlichen, an den Wachen vorbei, in die Akademie eindrangen und die Schriftrollen in Brand setzten. Es fiel ihm nicht schwer, diese Bilder in seinen Kopf zurückzurufen, auch wenn er wusste, dass ihre Aussichten nicht gut standen. Doch woran sollte er sonst glauben? Dass Charral plötzlich vor ihnen stehen würde wie damals, dass er ihn mit einem Blitzzauber niederstrecken würde, wie er es mit Rasmi getan hatte?
Aber hier am Boden bin ich derjenige, der Macht hat, nicht Charral.
Er wandte den Blick von der Schwärze am Himmel ab, die Rashija war. »Wir dürfen nicht stehen bleiben«, murmelte er.
Der Plan bestand darin, direkt nach der Landung auf die Platte von Rashija zu gelangen, während die Truppen der Stadt durch den Angriff der Aufständischen abgelenkt waren. Auf dem Weg nach Gabta hatten sie mit Nemiz den gesamten Weg über die Felder zurückgelegt. Diesmal wollten sie den kürzesten Weg in die Hauptstadt wählen. Dennoch würde es Stunden dauern, bis sie Rashija erreichten. Vermutlich würde es bereits heller Tag sein, und wie die Schlacht bis dahin verlaufen war, konnte niemand wissen. An einer Seite war der Krater des Vulkans vor langer Zeit eingestürzt. Der Hang lag voller Geröllbrocken, die eine schwer überwindbare Mauer bildeten. Die Späher hatten gemeldet, dass dort nur Wachposten, aber keine feindlichen Einheiten stationiert waren. Auf diesem unwegsamen Gelände wollten sie bis zur Stadt vordringen. Noch erschwerte ihnen die Nacht die Orientierung, doch Adeens Augen begannen sich bereits an die Finsternis zu gewöhnen.
Aus der Ferne ertönten die langgezogenen Rufe von Signalhörnern. Dünn und kaum hörbar drang das Lärmen der erwachenden Truppen zu ihnen herüber, Freunde und Feinde. Zum ersten Mal fragte sich Adeen, wer eigentlich die Kämpfer waren, die Rashija verteidigten. Die Königin von Tama und Keyla hatten gesagt, dass die Besatzer einen großen Teil des Landes auf dem Boden kontrollierten. Doch ihre Soldaten konnten unmöglich alle aus der fliegenden Stadt stammen. Dazu waren es zu viele.
Es sind Einheimische. Eine andere Lösung gibt es nicht.
Und die Magier von Rashija zwangen sie, ihr Leben zu riskieren, um ihren Krieg auszutragen.
Dann riss ein neues Geräusch Adeen aus seinen düsteren Gedanken, ein schreckliches Knirschen und Rumpeln, so laut, dass es die Signalhörner übertönte. Der Boden unter ihren Füßen bebte in kurzen, heftigen Stößen. Adeen musste sich an einem nahen Felsen abstützen, um nicht umgerissen zu werden. Dann gingen die Erschütterungen in ein anhaltendes Vibrieren über.
»Es ist so weit!«, sagte Schwärmer. Die weit geöffneten Augen des alten Mannes leuchteten im Dunkel. »Rashija landet. Jetzt gilt’s.«
Wie
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