Flügel aus Asche
hindurchschlängelten. Adeen dagegen hatte aus seiner Zeit an der Akademie gelernt, wo man sich in den Schatten ducken konnte, um den aufmerksamen Augen der Wachen zu entgehen.
Je näher sie der Akademie kamen, desto häufiger sahen sie die Männer in Drachenrüstungen – allerdings nicht mehr in großen Trupps, so wie Adeen es kannte, sondern meist allein oder zu zweit. Sie zogen ihre Runden, die Hände am Griff ihrer Magierstäbe, und jede ihrer Bewegungen verriet die Anspannung, unter der sie standen.
»Rashija, die Königin der Städte, ist Widerstand nicht gewohnt«, wisperte der kleinere Soldat, während sie hinter einer vorspringenden Treppe Schutz suchten. Die Stufen führten hinauf zu einem Geschäft mit vernagelten Fenstern. »Seht euch diese Männer an – ihre Urgroßeltern haben die Welt erobert, und sie fürchten sich vor dem Laub, das der Wind über die Straße bläst.«
»Vielleicht wären sie lieber bei ihren Familien, die da draußen kämpfen«, wandte Adeen ein. Unter seinem Helm warf ihm der Soldat einen Blick zu, halb nachdenklich, halb vorwurfsvoll, und erwiderte nichts.
Adeen konnte es nicht erwarten, die Grube zu erreichen, den Ort, wo sie sich mit Yoluan verabredet hatten. Der Weg durch die Stadt sollte eigentlich seine gesamte Aufmerksamkeit fordern, aber immer wieder wanderten seine Gedanken zu Talanna. Hoffentlich hatte Yoluan sie gefunden! Natürlich wusste er, dass Talanna auf sich aufpassen konnte, dass sie sich vermutlich geschickter durch die Schatten bewegen würde als sie alle zusammen. Doch mehr als alles andere fürchtete er, dass sich seine schlimmste Sorge bewahrheiten und von ihrem gemeinsamen Nachmittag im Nebel nicht mehr bleiben würde als ein schlechter Nachgeschmack. Was sollte er tun, wenn sie an der Akademie plötzlich vor ihm stand und eines der Schwerter, die sie in Keylas Lager so eifrig geschärft hatte, auf seine Kehle richtete?
Adeen holte tief Atem und schob die Gedanken beiseite. Er konnte sich keine Schwäche erlauben. Die anderen verließen sich auf ihn.
Sie rochen die Grube schon von weitem, lange bevor sich der müllübersäte Abhang vor ihnen auftat. Vier oder fünf Menschen kletterten wie Spinnen über den Abfallberg. Sie rafften an sich, was sie gerade in den Händen hielten, und verschwanden, als Adeen sich mit den anderen näherte. Yoluan war nirgends zu sehen.
»Wo ist dein Freund jetzt?«, fragte der Soldat, der schon zu Anfang an Talannas Loyalität gezweifelt hatte. »Vielleicht haben er und die Drachenfrau eine kleine Verabredung getroffen und warten an der Akademie auf uns?«
Adeen ballte die Fäuste. »Halt endlich den Mund! Die ganze Zeit redest du von nichts anderem. Wenn du nicht an unseren Erfolg glaubst, warum hat dich die Königin dann mit auf diese Mission geschickt?«
Durch die Augenschlitze seines Helms blickte der Mann hochmütig auf Adeen herab. »Weil sie weiß, dass
ich
vertrauenswürdig bin. Und weil ich es mit fünf von euch rashijanischen Jammergestalten auf einmal aufnehme.«
Grünes Feuer begann in Adeen zu lodern. Er fühlte, wie sich der Funke in seiner Brust ausbreitete und warm seine Arme hinabrann. »Versuch es doch – aber vergiss nicht, dass ich ein Magier bin.«
»Das ist der Grund, warum man dir genauso wenig trauen kann wie den anderen.«
Seine Hand zuckte zum Schwert, und Adeen spürte mehr, als dass er es sah, wie seine Fingerspitzen in grünem Licht zu glühen begannen. »Du hast keine Ahnung, wie das Leben in Rashija –«
»Schluss, alle beide!« Schwärmer rammte Adeen seinen knochigen Ellbogen in die Seite, und augenblicklich entglitt ihm die Magie. »Was soll denn die Streiterei? Glaubt ihr, das hilft uns in dieser Situation? Wir warten jetzt noch kurz auf Yoluan – und falls er nicht kommt, geht es weiter. Ghaves, steck sofort das Schwert weg!«
Der Soldat ließ mit sichtlichem Widerwillen die Klinge verschwinden.
»Habt ihr lange gewartet?«
Yoluan trat aus dem Schatten einer Hütte hervor, atemlos, aber unverletzt. Sein Gesichtsausdruck verriet sofort, dass etwas Beunruhigendes passiert war.
Der Streit war vergessen, und alle drängten sich um ihn. »Was hast du herausgefunden?« Adeen wusste nicht, ob er die Antwort wirklich hören wollte. »Wo ist Talanna?«
»Ich konnte ihr durch ein paar Gassen folgen, aber dann ist sie auf eine Hauptstraße eingebogen. Dort ist sie auf eine Wache zugegangen, einen Mann mit einer Skada. Sie hat mit ihm geredet. Er zuckte irgendwie zurück, da hat sie
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