Flügel aus Asche
um ihm zu antworten, füllte sich die Nacht von einem Moment auf den nächsten mit Schreien und den vielfarbigen Explosionen von Kampfzaubern.
Der Krieg hatte begonnen.
16
Zurück zur Akademie
D ie nächsten Stunden waren ein einziger langer Alptraum. In einer roten Morgendämmerung kroch Adeen durch Gestrüpp, balancierte über Felsblöcke, stürzte, raffte sich auf, ignorierte den Schmerz und humpelte weiter. Einer der Soldaten, ein kleiner, wendiger Bursche, kletterte über die Geröllhalde voran, um einen halbwegs sicheren Weg auszukundschaften. Er streckte ihnen die Hand entgegen, um ihnen den Aufstieg an schwierigen Stellen zu erleichtern, feuerte sie an und erzählte ihnen atemlos von den wild überwucherten Felshängen, in deren Nähe er aufgewachsen war. Währenddessen bebte der Boden noch immer, Rashija senkte sich herab – schwarz, furchteinflößend wie ein Loch im Morgenhimmel –, und das Getöse des Kampfes schwoll in Adeens Ohren an. Manchmal erhaschten sie von einem Felsvorsprung aus einen Blick auf die Schlacht. Jedes Mal fiel es ihm schwer, sich von diesem Anblick wieder loszureißen, so schrecklich er auch sein mochte. Auf dem Grün der Hänge wimmelte es von Truppen in Schwarz und Rot. Zauber rissen mit gleißendem Licht Breschen in ganze Hundertschaften. Während die Soldaten an der einen Stelle noch in geordneten Kolonnen voranstürmten, lagen anderswo kreuz und quer die Körper der Gefallenen verstreut, als hätte sie ein Windstoß erfasst, in die Luft gewirbelt und niedergeworfen.
Manchmal sahen sie Späher, die von den Truppen Rashijas auf der Geröllhalde positioniert worden waren. Um keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, umgingen sie die Posten weitläufig, was meist noch mehr Gestrüpp und mehr Felsen bedeutete. Bald lief Adeen trotz der Kälte der Schweiß den Nacken hinab, die Rüstung klebte ihm überall am Körper und scheuerte ihm die Haut wund. Schwärmer, dem Ältesten der Gruppe, fiel der anstrengende Weg am schwersten. Am Anfang hatte er noch Witze gerissen, nach einer Weile keuchte er nur noch. Wichtiger war jedoch, dass sie das Glück auf ihrer Seite hatten: Bisher war die kleine Truppe, die sich in der Deckung von Büschen und Felsen durch die Nacht quälte, noch nicht bermerkt worden.
In einem dichten Gesträuch warteten sie aneinandergedrängt, bis Rashija vollständig gelandet war. Das Knirschen und Rumpeln war so laut, dass sich Adeen beide Ohren zuhielt und trotzdem noch fürchtete, sein Kopf würde platzen. Während sich die Staubwolken allmählich niedersenkten, verließen Einheiten von Kampfmagiern die Platte. In ihren Drachenrüstungen sahen sie den Skadas, auf denen sie ritten, erschreckend ähnlich sahen. Es dauerte lange, bis der letzte Truppenteil vorübergezogen war. Erst dann wagte die Gruppe, ihre Deckung zu verlassen und sich auf die Felsplattform hinaufzuschleichen.
Einige Stunden später hatten sie Rashija erreicht.
Es war windstill; auch das Beben hatte jetzt aufgehört. In der kalten weißen Mittagssonne lag die Stadt wie ausgestorben da. Das einzige Geräusch war das ferne Tosen der Schlacht. Adeen blickte sich um. Aus Vorsicht hatten sie sich im Schatten einer Mauer gehalten, doch niemand war da, der sie hätte sehen können. Die Einwohner hielten sich wohl in ihren Häusern versteckt, und die Wachen mussten zum Kampf abgezogen worden sein. Mit Eindringlingen schien niemand zu rechnen, zumindest nicht in diesem Stadtteil.
Da er wusste, dass die Straßen von Rashija gewöhnlich von Menschen wimmelten, fühlte er sich nun umso unbehaglicher. Kein Stimmengewirr, keine Schritte. Nur Abfall am Straßenrand wies darauf hin, dass sich hier vor kurzem noch jemand aufgehalten hatte. Im Winterlicht warfen die Gebäude scharfe schwarze Schatten aufs Pflaster, und doch erschienen sie ihm unwirklich, wie aus einer anderen Welt.
Er wandte sich zu den anderen um, wollte die Beklemmung durch eine Bemerkung verscheuchen, und stutzte.
»Wo ist Talanna?«
»Sie war gerade noch vor mir«, sagte Yoluan. »Talanna? Wo steckst du?«
»Willst du wohl den Mund halten!«, fuhr ihn einer der Soldaten an, als er die Stimme erhob. Yoluan zuckte schuldbewusst zusammen.
Adeen biss sich auf die Lippen. Die Befürchtung, die jetzt an ihm nagte, beunruhigte ihn mehr als die menschenleere Stadt, aber er wagte sie nicht auszusprechen. »Bestimmt ist sie in der Nähe und hält Ausschau nach Feinden.«
»Warten wir einen Augenblick auf sie.« Schwärmer atmete schwer. Mit
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