Flügel aus Asche
fremde Feldherren oder deren Strategen einen Besuch ab. Zu den Einsatzbesprechungen wurde auch Adeen herangezogen. So erfuhr er, dass die Rebellen planten, Rashija am erneuten Aufstieg zu hindern. Ein Trupp von Experten, unter denen sogar ein abtrünniger rashijanischer Magier war, wollte herausfinden, welche Zauber der Stadt das Fliegen ermöglichten. Es waren so viele Pläne, so viele Einzelheiten, dass Adeen der Kopf davon schwirrte. Umso mehr versuchte er, sich alles genau einzuprägen. Versagten sie auch nur bei einem Detail, gefährdeten sie das ganze Vorhaben.
Das Schmettern einer Trompete riss Adeen aus dem Schlaf. Halbblind tastete er nach seiner Kleidung. »Los jetzt!«, rief ihm einer der Soldaten ins Ohr. Er rieb sich die Augen, richtete sich auf und wollte sich die Tunika überziehen, als plötzlich Keyla im Zelteingang stand.
»Ah, da bist du ja«, sagte sie. Es war noch vollständig dunkel, nur die schwache Glut aus der Feuergrube beleuchtete ihr dunkles Gesicht. »Es ist so weit. Rashija wird in wenigen Stunden landen. Dann müssen wir in Position sein. Nun steh nicht herum, komm mit.«
Sie führte ihn ins Zelt der Königin. Dort warteten Yoluan – seinem Gähnen nach zu urteilen ebenso aus dem Schlaf gerissen wie Adeen –, Schwärmer, Talanna und einige Soldaten. Die Königin bot einen prächtigen Anblick. Platten aus goldenem und schwarzem Metall hüllten ihren Körper ein. Adeen hätte sie beinahe nicht erkannt.
»Ihr kennt eure Aufgabe«, sagte sie. »Wir verlassen uns auf euch. Während wir vor der Stadt kämpfen, müsst ihr schon längst auf dem Weg in die Akademie sein. Ihr dürft auf keinen Fall scheitern.«
Es schien, als wolle Schwärmer den Mund öffnen, um einen seiner üblichen Witze zu machen, doch er schwieg.
»Hoheit, wir werden Euch nicht enttäuschen«, sagte einer der Soldaten, ein Mann, noch größer und massiger als Yoluan, mit schwerfälliger Würde. »Meine Leute und ich werden unser Leben einsetzen, um diese Gruppe sicher zur Akademie zu führen.«
Den Rückweg aus der Akademie erwähnte er nicht. Davon war auch in den Besprechungen niemals die Rede gewesen. Angst kannte Adeen nur zu gut: Die Beine zitterten, das Herz hämmerte, die Welt verschwamm, und man schwitzte. Im Moment fühlte er sich nicht so, aber dafür war ihm zumute, als hätte sich sein Magen in einen Eisklumpen verwandelt. Er sah zu Talanna. Sie saß reglos da, den Blick fast gleichgültig auf die Königin gerichtet, als ginge sie das alles nicht viel an. In der letzten Zeit war ihr rotes Haar so weit gewachsen, dass es zerzaust von ihrem Kopf abstand.
»Ich wünsche euch Glück« sagte die Königin, »auch wenn ich hoffe, dass ihr es nicht brauchen werdet.«
Keyla umarmte Schwärmer halb zum Abschied und klopfte ihm auf die Schulter. »Sei bloß vorsichtig, alte Nervensäge! Wenn du dieses Papier nicht zum Brennen bringst, brauchst du mir ja nicht wieder unter die Augen zu kommen! Dann kannst du dir ein Donnerwetter anhören, von dem du dich dein Leben lang nicht mehr erholst.« Aber das Zittern in ihrer Stimme machte die Drohung nichtig.
»Wie ich dich kenne«, antwortete Schwärmer, »rennst du mit deinem fürchterlichen Kampfschrei gleich in den ersten Feuerball hinein. Sei so nett und zwing mich nicht, mit deinen verkohlten Knochen reden zu müssen.«
Seine Besorgnis rührte Adeen. Wenn man Schwärmers Alter bedachte, standen seine Aussichten, den Kampf zu überleben, viel schlechter als Keylas.
Die Gruppe zur Erstürmung der Akademie verließ das Lager und tauchte in die Nacht ein. Alle hatten sich nun umgekleidet und trugen erbeutete rashijanische Rüstungen, die ihnen ein Mindestmaß an Tarnung bieten würden. Schwärmer hatte sich nur eine dunkelblaue Robe übergeworfen. »Meine alten Knochen können all den Stahl nicht schleppen«, beteuerte er. In der eleganten Robe sah er aus wie ein Mitglied der Oberschicht. Adeen hatte seine Tunika gegen eine Lederrüstung getauscht, die ihm an den Schultern zu weit war. Es war ein einfaches Modell, auf das die Drachenschuppen nur aufgemalt waren. Ein notdürftig geflickter Schlitz am Rücken erzählte die unerfreuliche Geschichte, wie der vorige Besitzer sie verloren hatte. Dazu trug er einen zerfransten Umhang, der ihm helfen sollte, sein Gesicht zu verbergen, wenn sie Rashija erst einmal erreicht hatten. Talanna trug die rot-goldene Lederrüstung eines rashijanischen Kampfmagiers, und sie stand ihr nicht übel. Die Soldaten hatten sich
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