Fluegel der Dunkelheit
ihnen
…« Ihre Sorge um Traian wuchs. »Wir müssen ihn suchen!«
»Wir?« Victor
schüttelte den Kopf. »Wie es aussieht, hat Traian dich zu uns
geschickt, damit wir uns um dich kümmern.« Sergiu rief seine beiden
Detektive an. Er bat um die Standortbestimmung von Hongs Wagen. Nur
zehn Minuten später informierte Maier Sergiu, dass Hong sich auf der
Autobahn, Kreuz Havelland, befand. Sergiu beendete das
Telefongespräch mit ernster Miene.
»Entweder zieht
sich Hong zurück, was ich nicht glauben kann oder in seinem
Kofferraum befindet sich diesmal ...«
Das war eine
entsetzliche Vorstellung. »Traian?« Liana spürte, wie ihre Knie
weich wurden. Victor griff sich die Autoschlüssel. Sergiu schnappte
sich seine Jacke und warf Liana einen Blick zu. »Hol Veit! Wir
nehmen ihn mit.«
Liana eilte ins
Schlafzimmer. Das Bett war leer. Veits Plüschfledermaus lag auf dem
Kissen. »Veit?« Liana hielt den Atem an. Nichts. »Sergiu! Veit. Er
ist nicht da!«
Beim Betreten des
Schlafzimmers fiel Sergiu sofort die offenstehende Balkontür auf,
die er sich peinlichst genau ansah. Fein säuberlich hatte jemand mit
einem Glasschneider einen Kreis aus den Scheiben der alten Fenster
herausgetrennt.
»Dieses Schwein!«
Entsetzt schaute er zu Liana, dann blickte er hinunter. »Das Gebüsch
unter dem Balkon ist zertrampelt.« Victor packte Sergiu am Arm. »Wir
sollten uns beeilen. Hong soll mich kennenlernen.« Liana drückte
das schwarze Plüschtier an sich. Ihr Magen rebellierte heftig.
»Diese Aufzeichnung, die Versuche ... wenn Hong das alles mit Veit
...«
Victor legte seine
Hand auf ihre Schulter. »Das werden wir zu verhindern wissen.«
Noch war es hell,
auch wenn die Sonne bereits untergegangen war. Vor Lianas Wohnhaus
wartete Lu Hong Sung in seinem Auto auf eine günstige Gelegenheit.
Als Lu Hong Sung Traian aus dem Hauseingang kommen sah, entschied er
sich Traian zu folgen.
Schließlich ging es
ihm um den Vampir, nicht um die Ärztin. Er stieg aus dem Auto, um
Traian nachzulaufen. In seiner Jackentasche lag griffbereit eine
Spritze mit einem wirkungsvollen Anästhetikum, was er Traian im
geeigneten Augenblick injizieren würde. Seine Forschungsarbeit
stand, dank der Vampirfamilie, kurz vor einem spektakulären
Durchbruch. Nicht nur Demenz-, Parkinson- und Alzheimerpatienten
sollten von seiner Arbeit profitieren. Seine Mikrochips konnten Hirn-
und Nervenschädigungen überbrücken und erkrankten Menschen ein
normales Leben ermöglichen. Nur wenige Gewebeproben wären nötig,
um seine Forschung abzuschließen. Traian trug bedeutende
Informationen, wichtige Enzyme in sich, für die Hong bereit war,
über Leichen zu gehen. Sein Objekt der Begierde lief nur einige
Schritte vor ihm. Aufgeregt griff Hong in seine Jackentasche, legte
die Finger um die Spritze und blieb erschrocken stehen.
Blitzschnell hatte
sich Traian zu ihm umgedreht. »Zurück zu deinem Wagen.«
Lu Hong Sung
versuchte nur eine Sekunde, gegen die hypnotischen Worte von Traian
zu kämpfen.
»Du wirst ab sofort
alles tun, was ich dir sage.« Ein siegreiches Gefühl breitete sich
in Traian aus. Hong würde ihm kein Leid mehr zufügen, keine
Gewebeproben aus seinen Organen entnehmen, keine Metallteile in
seinen Kopf einpflanzen. Hong gehörte jetzt ihm. Das Blatt hatte
sich gewendet. Traian ließ sich auf der Rücksitzbank des protzigen
Mercedes nieder, während Hong sich hinter das Lenkrad setzte.
»Richtung Lindow. Genaueres erfährst du später.« Traian erfüllte
eine tiefe Zufriedenheit. Im Geiste sah er sich mit Liana einen
Feldweg entlanggehen. Seine marternden Kopfschmerzen, die
Sehstörungen sowie die Konzentrationsschwierigkeiten gehörten der
Vergangenheit an und das hatte er nur Liana zu verdanken. Sie war
zwar menschlich und dazu noch eine Ärztin, aber das zählte jetzt
nicht mehr. Sein Leben hatte durch sie einen neuen Sinn bekommen. Nur
ihr Wohlergehen war für ihn noch wichtig. Hong lenkte den Wagen von
der Landstraße auf die Zufahrt zur alten Fleischerei. Langsam fand
Traian an seinem willenlosen Peiniger gefallen. Lu Hong Sung als sein
Knecht. Das war einfach zu genial. Als Traian seine paar
Habseligkeiten aus der Fleischerei holen wollte, schlug ihm bereits
am Eingang ein widerlicher Geruch in die Nase. Sein Blick fiel beim
Betreten der Vorhalle sofort auf die Ursache. Offensichtlich hatte
hier ein Obdachloser sein Ende gefunden. In sich zusammengesackt saß
er in der Ecke. In der Hand hielt er noch immer eine leere Flasche
Schnaps,
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