Fluegel der Dunkelheit
Herzen. Der gute alte Guido war immer zur
Stelle, wenn man ihn brauchte.
»Dr. Klingberger
wollte ohnehin gerade gehen.« Sie fühlte ihr triumphierendes
Lächeln im Gesicht, hoffentlich bereute sie das nicht irgendwann.
Andererseits gab es erst mal keine Alternative. Klingberger drohte
mit dem Finger.
»Das wird Folgen
für Sie haben.« Zornig drehte er sich um und stapfte hörbar die
Treppe hinunter.
»Danke, Guido. Das
war so zusagen Rettung in letzter Minute.« Erleichtert atmete sie
aus.
»Für Dich doch
immer wieder gern, Liana. Du hast wohl einen neuen Untermieter?«
Guido lachte und musterte Veit.
»Ich hoffe nicht
für lange. Vielen Dank noch mal.« Sie schloss hinter sich die
Wohnungstür. Erleichterung machte sich breit.
»Na Veit? Du
scheinst deinen Papa aber nicht sonderlich zu mögen.« Sie
streichelte über seinen Kopf und drückte ihn an sich. Was für ein
herrliches Gefühl so einen kleinen Windelmatz auf dem Arm zu haben,
besonders, wenn er sich so fest an sie kuschelte, wie in diesem
Augenblick. Veit zeigte sich seit Klingbergers Besuch zugänglich,
was die ganze Angelegenheit enorm erleichterte.
Ausflug
A m
Sonntagmittag meldete sich Bettina übers Telefon. »Wie geht es
Veit?« Ihre Stimme zitterte auffallend.
»Er vermisst dich
und ehrlich gesa ...«
»Bitte, hör mir
jetzt zu. Sie wollen mir Veit wegnehmen.« Bettina musste vernehmlich
schlucken. »Ich fühle mich so schuldig.« Ein heftiges Schniefen
klang durch die Leitung. »Seine Entstehung war schon ein Verbrechen
und ich habe mich dazu auch noch bereit erklärt. Sie fordern,
weitere Tests mit ihm durchzuführen. Verstehst du? Sie werden ihm
weh tun.« Bettina konnte kaum sprechen. Liana lief es eiskalt den
Rücken herunter, auch wenn sie nicht viel von dem verstand, was
Bettina sagte, so war ihr doch klar, dass es hierbei um nichts Gutes
ging.
»Veit ist etwas
ganz Besonderes. Er ist einzigartig. Du musst ihn vor diesen
Wahnsinnigen schützen. Das bin ich ihm schuldig. Er darf nicht für
ihre Zwecke benutzt werden.«
»Wen meinst du mit
›sie?‹« Liana spürte ihre Gänsehaut weiter wachsen.
»Ich weiß, dass
ich viel von dir verlange, aber du musst mit Veit die Stadt
verlassen. Ich bitte dich, ihm zu liebe. Er kann sich doch nicht
wehren.« Bettina schluckte, »vor allem darfst du unter keinen
Umständen zur Polizei gehen, das würde die Angelegenheit nur noch
verschlimmern, hörst du? Versprich es mir!«
Das ging jetzt zu
weit. An dieser Stelle war aber nun wirklich Schluss. »Also Bettina
...«
»Sie werden ihn
quälen. Sieh ihn dir an! Willst du das zulassen?« Bettinas Stimme
versank in ihren Tränen. »Sie haben ihm einen Portkatheter gelegt.
Darüber versorgst du ihm einmal die Woche mit 0,15 Liter Blut. Sein
Blutpass befindet sich in seiner Reisetasche. Spätestens, wenn er
schlapp und schläfrig wird, musst du handeln.«
»Das geht nicht.
Weißt du, wie viel Verantwortung du mir aufbrummst?« Liana wurde
klar, dass Veit sehr krank war, davon wusste sie bisher nichts.
»Ich flehe dich an.
Du ...« Ein schrilles Kreischen erschütterte die Leitung, dass
Liana das Telefon vom Ohr riss, aber nur für den Moment. Angespannt
horchte sie ins Telefon, dabei hörte sie ein Poltern, vielleicht das
Klappen einer Autotür? Danach lauschte sie dem Aufheulen eines
Motors und letztlich das Quietschen von Reifen. In der Ferne vernahm
sie Geräusche einer vorbeifahrenden Bahn, dann kehrte Ruhe ein.
Liana ließ ihre Hände sinken, versuchte dieses Gespräch zu
verarbeiten, vor allem zu verstehen.
Veits Entstehung
sollte ein Verbrechen sein. War er das Produkt einer Vergewaltigung?
Bettina hatte diesbezüglich keine Andeutungen gemacht, andererseits,
welche Frau würde schon freiwillig über ihren sexuellen Missbrauch
sprechen? Möglicherweise war Veit in einem Labor, absichtlich mit
einer seltenen Krankheit, gezeugt worden und Bettina hatte sich
bereit erklärt, dieses Kind auszutragen.
Nein!
Das war einfach zu
schräg. Eins blieb jedoch sicher, sie musste Veit vor Dr.
Klingberger schützen. Der einzige Weg Bettina zu helfen, war zur
Polizei zu gehen. Nein! Die Polizei schaltete nur das Jugendamt ein
und die übergaben Veit am Ende noch dem Vater, wenn Bettina nicht
wieder auftauchte. Genau das versuchte vielleicht Dr. Klingberger zu
erreichen. Veit sei etwas ganz Besonderes, hatte Bettina gesagt.
Andererseits war nicht jedes Kind für seine Mutter etwas ganz
besonderes? Liana ließ ihren Blick durch das Wohnzimmer
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