Fluegel der Dunkelheit
Wohnungstür auf und betätigte dabei den
Türöffner unten an der Haustür. Endlich erlöste sie Bettina von
ihrer Pflicht. Wie allerdings Dr. Michael Klingberger, ein Kollege
aus der Charité und Veits Vater auf dem Treppenabsatz erschien,
spürte Liana ihre Gesichtszüge erschlaffen.
»Guten Morgen Frau
Dr. Majewski. Bettina schickt mich, um Veit zu holen.« Er lächelte,
was bei Liana mehr Unwohlsein hervorrief. Bei Klingerberger wusste
man nie, woran man war. Nach außen hin gab er sich höflich und
hinten rum zog er über viele Kollegen her. Sie spürte die
Ratlosigkeit in sich wachsen. Bettina hatte sie bestimmt nicht aus
dem Bett geklingelt, um Veit von der Tagesmutter abzuholen, damit
jetzt der Vater hier bei ihr auftauchte. Das ergab keinen Sinn. Von
der Antipathie gegen Klingberger abgesehen, fühlte sie sich Bettina
gegenüber verpflichtet, für Veit zu sorgen und ihn nicht jemand
auszuliefern, vor dem sie ihren Sohn beschützen wollte.
»Guten Morgen Dr.
Klingberger.« Nun kam es auf ihr Geschick an, aus dieser Situation
das Beste zu machen. »Ich bin überrascht, Sie hier zu sehen.« Das
klang doch nach einer ehrlichen Aussage.
»Das kann ich mir
denken. Bettina hat sicher wieder vergessen, Sie anzurufen. In
letzter Zeit ist sie etwas überfordert und ich habe ihr versprochen,
mich um Veit zu kümmern.« Aha, ein vielbeschäftigter Arzt, der in
der Klinik fast wohnte, sich nur um sein Wohlergehen scherte, um sein
gedecktes Konto mehr kümmerte, als um andere Dinge, wollte plötzlich
Vater spielen? Er wusste doch nicht mal, wie man eine Windel
wechselte.
»Am besten rufe ich
sie schnell an« Sie bemühte sich um ein Lächeln, was ihr
allerdings sehr schwer fiel.
»Das wird nicht
nötig sein. Ich bin schließlich sein Vater.«
Dieser Scheißkerl
hatte Bettina sitzengelassen, ihr nicht mal die vorgeschriebenen
Alimente zu kommen lassen. Nein, dieser Typ besaß nicht den
geringsten Funken Verantwortungsgefühl für seinen Sohn.
»Lia, Lia, Lia«,
brabbelte Veit hinter ihr im Flur, seine Windel raschelte dabei.
Liana blieb das Herz stehen. Bisher hätte sie Veits Anwesenheit
leugnen können, aber jetzt brauchte sie schnell einen anderen Plan.
Sie ging in die Hocke und hoffte inständig, Veit würde sich von ihr
auf den Arm nehmen lassen. Ihr stockte der Atem vor Erleichterung,
als Veit seine kurzen Ärmchen ausstreckte, während er in der Linken
noch immer seine Plüschfledermaus festhielt.
»Hallo Veit. Papa
nimmt dich heute mit, ja?« Dr. Klingberger kam ein Schritt auf die
geöffnete Tür zu. Die kleinen Fingerchen gruben sich tief in Lianas
Haut, als wolle er signalisieren, dass auch er den Kerl nicht mochte.
Sie drückte das Kind an sich, um ihrerseits Veit zu verstehen zu
geben, dass sie für ihn da war. Diesen süßen Fratz würde sie Dr.
Klingberger nicht freiwillig überlassen.
»Dieses hässliche
Stofftier.« Er schüttelte den Kopf. »Papa wird dir einen richtigen
Teddy kaufen, ja?«
»Das muss Bettina
entscheiden. Veit bleibt so lange in meiner Obhut, bis sie mir die
Verantwortung für Veit entzieht.«
Klingberger grinste,
es war ein falsches Grinsen. »Seien Sie nicht albern, Frau Dr.
Majewski. Sie werden wohl kaum so dumm sein und Ihre Karriere auf
Spiel setzten, nicht wahr?«
Liana fehlten die
Worte. Der Kerl hatte doch nicht alle Tassen im Schrank. »Diese
private Angelegenheit hat ja nun gar nichts mit meiner beruflichen
Laufbahn zu tun, und ...« Liana spürte, wie ihr Blut zu kochen
begann.
»Meine liebe
Kollegin, wenn Sie mir mein eigenes Fleisch und Blut verweigern, wird
das fatale Folgen für Sie haben. Noch genießen Sie den Ruf einer
vielversprechenden Gehirnchirurgin, aber ich werde das zu ändern
wissen.« Seine ruhige Stimme bekam einen durchdringenden Ton.
»Übergeben Sie mir auf der Stelle meinen Sohn!«
Das war ja nun der
Gipfel der Frechheit. Veits Fingerchen gruben sich bis zur
Schmerzgrenze in Lianas Haut. Er zitterte, ohne einen Laut von sich
zu geben. Eine Reaktion, die ihr Beschützerinstinkt auf den Plan
rief. Grundlos würde sich kein Kleinkind so auffallend verhalten.
Vermutlich gab es hier und da schon eine unschöne Begegnung, die
Veits Leben prägte. Diesem unsympathischen Kerl musste sie Einhalt
gebieten.
»Verschwinden Sie!«
Wie konnte sie nur so mutig sein, oder eher dumm? Sie musste jetzt
damit rechnen, dass er handgreiflich wurde.
»Gibt es Probleme?«
Unbemerkt war die Tür der Nachbarwohnung aufgegangen. Liana fiel ein
mächtiger Stein vom
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