Fluegel der Dunkelheit
Platz, der
mit roten Rosenblütenblättern bestreut war. Um den Stuhl, auf dem
Tisch, überall lagen Blütenblätter. Traian ergriff ihre Hände, um
sie auf seine Brust zu drücken.
»Ich bedaure
zutiefst, dich verletzt zu haben.« Sie spürte dabei seinen
Herzschlag und er schien mit ihrem in einem Rhythmus zu schlagen.
Während seine Rechte weiter auf ihren Händen lag, strich seine
Linke über ihre Verletzung am Kopf. Die Wunde kribbelte, kitzelte,
als würde sie augenblicklich abheilen. Liana schloss die Augen. Sie
genoss seine Berührung, sehnte sich nach mehr. Allein seine Nähe
machte süchtig.
»Verzeihst du mir?«
»Ich habe es doch
längst vergessen.« Jetzt schaute sie auf, ihm in die großen
hellbraunen Augen, in denen sich das Feuer der Fackeln spiegelte.
Schnell schwenkte er seinen Blick auf ihr Haar. Das alles hier schien
ihr wie ein Traum. Dieses Glück, Traian offensichtlich einiges zu
bedeuten, empfand Liana als ausgefallenes Geschenk des Lebens. Sein
charmantes Lächeln rief Schwindel in ihr hervor, dass sich der Boden
unter ihren Füßen zu drehen begann.
Traian wusste sie um
den Finger zu wickeln. Mit diesem köstlichen Sechsgängemenü würde
sie ihm jede Sünde verzeihen, wobei sie ihm diese Verwechslung nicht
wirklich übelgenommen hatte. Die Feuerschalen um den Tisch erzeugten
eine angenehme Wärme, sodass Liana ihre Jacke zum Essen auszog.
Sanft, im Hintergrund, spielte romantische Musik und die beiden
aufmerksamen Kellner eilten sofort herbei, wenn Liana auch nur mit
dem Finger zuckte. Es war alles perfekt. Nach dem Essen machte Traian
eine ernste Miene, sein Lächeln verschwand.
»Erzählst du mir,
was dich in dieses Krankenhaus geführt hat?«
»Ich ... ich weiß
es eigentlich nicht so genau.« Diese Antwort war zu dürftig. Das
verdiente Traian nicht. »Nein! Das stimmt nicht.« Sie schluckte,
wenn er ihre Angst fühlen konnte, dann bestimmt auch eine Lüge von
ihr. »Die Wahrheit ist, dass ich zwei markierte Kartenausschnitte
gefunden habe. An beiden Orten sah ich Szenen, die sich dort
abgespielt haben müssen.« Plötzlich meinte sie, sich im Wald
wieder zu finden, spürte den Kugelschreiber zwischen den Rippen.
»Du bist in
Sicherheit.« Sie bemerkte seine starken Arme um ihren Oberkörper,
seinen Atem, seinen langsamen und doch kräftigen Herzschlag. Er
stand hinter ihr und hielt sie fest. In seinen Armen geborgen zu
sein, empfand sie als das größte Glücksgefühl, was sie sich
vorstellen konnte.
»Ich ahnte nicht,
dass meine Frage dich derart bewegt.« Dabei strichen seine Finger
über ihre Wange. Ihr ganzes Gesicht zehrte davon. »Ich werde dich
nach Hause fahren, in Ordnung?«
Lianas Erinnerungen
waren längst verblasst. »Nein! Bitte nicht! Halte mich fest.« Sie
spürte seinen Atem auf ihrer Haut, der sich wie elektrisiert
anfühlte. Dieser Körperkontakt vermittelte ihr das Gefühl, als
würde Traian mit seiner Ausstrahlung eine tiefe alte Wunde heilen,
an dessen Schmerz sie sich bereits gewöhnt hatte.
Die Ereignisse der
letzten Tage brachten Traians Vorhaben durcheinander. Liana hatte
sein Herz erobert, viel mehr noch, sie gab seinem Leben einen Sinn.
Ihren schlanken Körper in seinen Armen halten zu dürfen, ihren
süßen Duft einzuatmen, ihren Herzschlag zu lauschen, versetzten ihn
in einen Zustand, der Zufriedenheit und Euphorie zugleich war. Es kam
ihm vor, als würden diese Empfindungen etwas in ihm auffüllen, was
sehr lange leer gewesen war. Sie war für ihn Licht und Hoffnung in
der Dunkelheit, sie war Weg und Ziel im Labyrinth des Lebens. Als er
sich an diesem Morgen schlafen legte, kreisten seine Gedanken
lediglich um Liana. Er nahm sich fest vor, seine Pläne in den
Hintergrund zu drängen, um mehr Zeit mit Liana zu verbringen.
Am nächsten Abend
begann er mit seinen Beobachtungen der Ärzte, Prof. Dr. med.
Hartung, seiner Tochter Dr. med. Kathleen Hartung sowie dem
Neurologen Prof. Dr. Ivor Jurischenkow aus der Lindower Klinik. Die
Reihenfolge seine Peiniger zur Rechenschaft zu ziehen, erschien ihm
neben den Gedanken an Liana bedeutungslos. Nachher wollte er sie
besuchen. Doch Traian vertiefte sich in seine Beobachtungen der
privaten und sportlichen Gewohnheiten der Ärzte, ihre Wege zur
Klinik, zum Einkaufen sowie persönlich Unternehmungen, dass er
darüber hinaus alles andere vergaß. Nur wenige Kilometer von der
Lindower Klinik entfernt, entdeckte er eine alte leerstehende
Großfleischerei. Die drei fensterlosen Kühlräume mit
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