Fluegel der Dunkelheit
massiven
Metalltüren boten sich geradezu als Gefängniszellen an. Besonders
gelegen kamen ihm die armdicken Wasserrohre, die unter der Decke
durch die Kühlräume führten. Die Kühlanlage funktionierte
natürlich nicht mehr, der Strom war längst abgeschaltet. Aber für
sein Vorhaben benötigte er auch keinerlei Technik. Für die Drei
schmiedete er genaueste Pläne, wie die Zukunft dieser Mediziner
auszusehen hatte. Ähnlich wie bei Klingberger und dem
Krankenpfleger, plante er, seine Peiniger um den Verstand zu bringen.
Sie sollten zumindest ansatzweise nachempfinden können, wie er
damals unter ihren Experimenten gelitten hatte, welche Schmerzen er
ertragen musste. Kein Einziger aus dem Team hatte auch nur einen
Funken Mitleid gezeigt. Seine Eltern und er wurden als Objekte
betitelt, als wären sie gefühllose Lebewesen. Respektlos, ja
regelrecht unwürdig, waren die Ärzte mit ihnen umgegangen.
Lediglich wenn die zu erforschenden Körperbereiche besonders
stillgehalten werden sollten, gab es eine örtliche Betäubung, was
jedoch selten vorkam. Die Höllenqualen der zahlreichen Operationen
hatten ihn oft in düstere Alpträume befördert. Es gab einige
Situationen, wo er sogar um seinen Tod, um Erlösung gebettelt hatte.
Doch keiner dieser Mediziner hatte Erbarmen gezeigt. Nun war es an
der Zeit, das Blatt zu wenden, diesen eiskalten Menschen eine Lektion
zu erteilen.
Ein paar Tage nach
dem gemeinsamen Abendessen mit Liana durchfuhr Traian ein Ruck, als
er beobachtete, wie sie nachts um die Lindower Klinik spazierte. Was
tat sie hier? Ständig schaute sie sich um, als suche sie etwas.
Vielleicht wartete sie auf jemanden. Traian hielt den Atem an, denn
er fragte sich, warum sie ausgerechnet hier auftauchte. Gab es
womöglich doch eine Verbindung zwischen Liana und dem Ärzteteam?
Als Medizinerin, als Mensch, gehörte sie zu den verachtenswertesten
Wesen dieser Welt. Und wenn sie nur seinetwegen gekommen war? Was,
wenn sein Verstand, mit Rache benebelt, wieder seinen Instinkt
ausschaltete? Doch woher sollte Liana seinen Aufenthaltsort kennen?
Jetzt wurde ihm erst bewusst, dass er viel zu viel Zeit hatte
verstreichen lassen, in der er schon längst Liana besucht haben
wollte. Sein Vorhaben erschien ihm in diesem Moment wie eine Sucht,
über die er alles andere vergaß. Augenblicklich überfiel ihn die
Sehnsucht nach ihr. Um seine restlichen Zweifel zu ersticken, um ihre
Reaktion zu testen, heraus zu bekommen, ob sie nach ihm suchte,
schlich er lautlos aus dem Gebüsch und folgte ihr.
Als sie sich das
nächste Mal umdrehte, zuckte sie zwar zusammen, doch sie wirkte
nicht überrascht ihn zu sehen. »Traian!« Es klang eher nach einer
Erlösung. »Ich habe dich so sehr vermisst.« Als sie das sagte,
glaubte er Tränen in den Augenwinkel zu entdecken.
Diese Worte meinte
sie aufrichtig, sie zeigte keine Anzeichen von verschleierten
Empfindungen. Vorsichtig nahm er sie in den Arm, nicht zu fest, denn
er musste seine Kräfte ihr gegenüber nicht demonstrieren. Durch
seinen Körper strömte dieses Gefühl von Geborgenheit, von tiefer
Zufriedenheit vor allem aber diese innere Hitze, die ihm heilend
vorkam. Seine zweifelhaften Gedanken von eben erschienen ihm an ihrer
Seite so lächerlich. Jetzt legte er seine Hände auf ihre Wangen,
sah ihr tief in die Augen, nur für einen kleinen Moment, dann
schloss er sie. Seine Lippen berührten ihren Mund, sanft, zärtlich,
bis Liana diese Geste erwiderte. Ein magisches Kitzeln verteilte sich
in seinem Kopf, rann wie ein Wasserfall seine Brust, seinen Rücken
herunter und sammelte sich zwischen den Beinen. Seine Sinne
explodierten zu neuen Empfindungen, die ihm bislang vergönnt gewesen
waren. Er meinte zu schweben, zu fliegen und alles Dunkle in ihm
verblasste.
Sie löste sich von
ihm. »Traian!« Sie schluckte, als wollte sie ihre Gefühle
vertreiben. »Dieser wundervolle Ausflug mit diesem köstlichen
Essen«, sie schaute kurz nach unten, dann ihm in die Augen, »ich
werde diesen Abend in meinem ganzen Leben nicht vergessen.
Vergleichbares hat noch nie jemand für mich getan.«
Traian spürte ein
Lächeln auf seinen Lippen. Sein Einfall mit dem Dinner und dem
besonderen Wagen war offenbar gut angekommen. »Um mich für mein
Verhalten vor dem Krankenhaus zu entschuldigen, war es angemessen!«
Liana senkte ihren Blick, sie flüsterte, »ich hielt es für mehr,
als nur für eine Entschuldigung.«
Erneut nahm er ihr
Gesicht zwischen die Hände und küsste sanft ihren Mund, »wie
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