Fluegel der Dunkelheit
weißen Reißzähne funkelten im
Kerzenlicht.
»Ich bin
vorsichtig, versprochen.« Ihre kalten Finger tasteten die Haut um
die Wunde ab. »Das ist ziemlich tief, junger Mann.« Sie krempelte
den Hosenrand nach unten, hielt dann inne. Mit weit aufgerissenen
Augen blickte sie auf. »Was ist denn das?«
Verärgert schlug
Traian ihre Hände zur Seite. Das war sein Körper! Sein Leben!
Niemand hatte ihn ohne sein Einverständnis anzufassen. Er musste
schlucken, seine Schmerzen verschlimmerten sich. »Wie funktioniert
diese Selbstheilung?« Der Vampirführer tauschte fragende Blicke mit
seiner Frau aus, bis Manuel eine sachte Kopfbewegung machte, worauf
sie mit einem hörbaren Seufzer aus dem Raum verschwand. Manuel
setzte sich verkehrt herum auf einen Stuhl, stützte seine Arme auf
die Rückenlehne, sodass er Traian ansehen konnte.
»Weder weiß ich,
wer du bist, noch wo du herkommst. Die Tatsache, dass du ein Vampir
bist, scheint mir der einzige Grund zu sein, dich nicht
auszuschließen, auch wenn dein Benehmen inakzeptabel ist.« Einen
Moment lang sah Manuel ihn intensiv an, als würde er die Antworten
in seinem Gesicht finden. »Die Selbstheilung funktioniert nur, wenn
dein Körper einigermaßen bei Kräften ist. Wartest du zu lange,
siehst du ja selbst, was passiert.« Manuel legte eine Pause ein.
Dann sah er Traian fest in die Augen: »Woher hast du diese Narbe?«
Vermutlich würde Manuel nichts von dem, was Traian erlebte hatte,
verstehen. Nein! In seinem überflüssigem Reichtum, hier wo er sich
jeden Wunsch erfüllten konnte, würde er nicht nachvollziehen
können, wie es in Traian aussah, wie sehr er sich wünschte, die
Zeit zurück zudrehen. Dieses Verhör diente nur dazu, alte Wunden
aufzureißen und um seine Macht als Vampirführer zu demonstrieren.
Manuel gehörte zu jenen, die sich über ihn lustig machen, über ihn
lachen würden.
Nein! Niemand sollte
über ihn lachen. Es ging keinen etwas an, was hinter ihm lag. Sein
heftiger Herzschlag dröhnte in seinen Ohren.
»Weißt du,
schweigsamer Freund, mit der Selbstheilung verhinderst du das
Schlimmste. Eine Narbe wie diese kann nur durch Menschenhand
entstanden sein.«
Traian zuckte bei
dem Wort ›Menschenhand‹ zusammen. Ein eisiger Schauer kroch ihm
über den Körper. Die Menschen waren grausam und niederträchtig.
Sie verdienten es nicht, diese Welt zu beherrschen, die sie nicht mal
in all ihrer Schönheit erkennen konnten.
»Niemand wird dir
helfen, solange du weiterhin jeden abweist. Dir ist hoffentlich klar,
dass du verbluten wirst.« Manuel stand auf »Weißt du eigentlich,
wie qualvoll lange das bei einem Vampir dauern kann?«
Augenblicklich
fielen bewegende Erinnerungen wie ein Netz auf Traian herab und
hielten ihn gefangen. Er hörte die durchdringenden Schreie seiner
Mutter, ihr unzähliges Flehen, die letzten stammelnden Worte seines
Vaters, sogar sein eigenes Betteln, das ihn heute noch bis in seine
Träume verfolgte. Manuels Schritte, wie er vor dem Bett auf und ab
ging, drangen wie aus einer anderen Welt zu Traian.
»In der vergangenen
Zeit verschwanden drei von uns spurlos, ganz plötzlich, ohne eine
Nachricht zu hinterlassen. Mit Sicherheit sind sie nicht freiwillig
untergetaucht. Aber niemand weiß etwas. Mir schwant, du könntest
uns vielleicht erzählen, wer hinter uns her ist, vor allem warum?«
Derb packte ihn Manuel bei den Schultern. Er schien das bisschen
Leben aus Traian hinaus schütteln zu wollen. »Zum letzten
Blutstropfen noch mal! Woher hast du dieses Mal? Was haben sie mit
dir gemacht?« Manuels Behandlung vervielfachte seine Schmerzen, sein
Brüllen erreichte Traian nur noch wie aus weiter Ferne.
»... dass du
verbluten wirst«, hallte es in Traians Ohren wider. Nein, er wollte
nicht sterben. Jetzt wo sein Leben wieder lebenswert war, wo er es
bis hier geschafft hatte, wäre es der blanke Hohn zu verbluten. Aber
Manuel erwartete eine Erklärung. Immer musste er alles hinterfragen.
Zu Ion hätte er vielleicht Vertrauen gehabt und geantwortet, aber
Manuel war definitiv der Falsche. Schwere Müdigkeit sowie die
Heftigkeit seiner Schmerzen vertrieben jeden weiteren Gedanken.
Zwischen Dösen und Erwachen, das mit dieser körperlichen Qual
verbunden war, erreichten ihn streitende Stimmen. Er strengte sich
an, dem hitzigen Wortwechsel zu folgen. Nur für wenige Momente
gelang es ihm.
»Aber das können
wir doch nicht zulassen. Er ist einer von uns, ein Vampir.«
»Keine meiner
Fragen hat er beantwortet. Er ist verbohrt.
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