Fluegel der Dunkelheit
Benutzt uns vermutlich
nur, um hier Schutz zu suchen. Ich werde kein kostbares Blut opfern,
wenn er am Ende mit dem Verschwinden unseresgleichen zu tun hat.«
»Manuel. Er ist
doch noch so jung. Er könnte dein Sohn sein.« Eine Pause folgte, in
der Traian beinah wieder in den dösenden Zustand abzutauchen drohte.
»Ich werde mich um
ihn kümmern.« Eine dritte Stimme mischte sich ein.
Manuel antwortete
ihr. »Du? Er bringt uns nur Ärger. Ich kann ihn hier nicht dulden.
Er hat seine Chance verspielt.« Nach diesen harten Worten schien
Traians Schicksal besiegelt. Er konnte sich nicht selbst helfen. Die
Symptome, vor allem die Schmerzen des Blutverlustes, raubten ihm
seine letzte Kraft.
Eine unbestimmte
Zeit später kehrten seine Sinne zurück, als er eine Hand unter
seinem Kopf spürte.
»Schön trinken.«
Traians Mund füllte sich mit erfrischendem Blut. Wie herrlich es
sich auf seiner Zunge anfühlte. Nie hatte er einen Schluck als so
köstlich empfunden. Die körperlichen Beschwerden ließen mit jedem
weiteren Tropfen ein wenig nach, förderte damit sein Verlangen nach
mehr Blut.
»Ich würde dich ja
gern mit deinem Namen ansprechen, wenn ich ihn nur wüsste.«
Er kannte diese
Stimme. Als er die Augen aufschlug, benötigte er ein paar Momente,
bis der Schleier verschwand und er Victor vor sich erfasste. Der
Untergrund fühlte sich nicht mehr ganz so weich an, auch den
frischen Rosenduft nahm er nicht mehr wahr. Definitiv befand er sich
nicht mehr bei Manuel zu Hause. Er erkannte einen kleinen,
ungestrichenen Raum mit zwei einfachen Betten.
»Manuel ist nicht
gut auf dich zu sprechen. Wenn du dich bei ihm entschuldigst, mit ihm
redest, kannst du ihn vielleicht noch umstimmen.«
Traian verspürte
großen Durst. Er bewegte seine Lippen, um nach einem Schluck Blut zu
bitten, doch ihm gelang kein hörbarer Laut. Victor lächelte, zeigte
seine weißen Reißzähne. Er füllte den Becher erneut und flößte
Traian das lebensspendende Getränk ein. Langsam kehrte das Leben in
ihn zurück, der körperliche Schmerz ließ nach.
»Ich ahnte, dass du
mich nicht sonderlich magst. Du scheinst niemanden zu mögen. Aber
ich habe, weiß Dracula warum, was für dich übrig.« Victor goss
den Rest Rinderblut in den Becher, er war nur halb voll. »Ich werde
dir verraten, wie ein Vampir sich selbst heilt, dann kannst du zu
Manuel gehen und dich entschuldigen.«
Beim Aufsetzten
bemerkte Traian seine fehlende Kraft. Jeder Muskel schien sich träge
aus einem Krampf zu lösen. Er nahm Victor den Becher ab. Diesen
letzten Schluck genoss er ganz besonders, dazu schloss er die Augen,
um diesen Geschmack von keinen optischen Reizen ablenken zu lassen.
Victor hatte ihm das Leben gerettet. Traian sah sich in seiner
Schuld. Er schaute auf. »Traian. Mein Name ist Traian.«
»Welche Ehre. Ich
bin wohl der Erste, der dein Geheimnis erfahren darf«
»Du musst mir ja
nicht gleich ein Schild um den Hals hängen.«
»Das hatte ich auch
nicht vor.« Victor lachte. »Vielleicht hat dir das Rinderblut
Erleuchtung verschafft.«
»Wie geht das mit
der Selbstheilung?«
»Was empfindest du,
wenn du ein Tier gefangen hast und das pulsierende Blut deine Zunge
berührt?«
Traian schien diese
Frage zu abwegig, das konnte nichts mit Selbstheilung zu tun haben.
Victor wollte ihn aushorchen. »Was soll das?«
»Was du empfindest,
hab ich dich gefragt.« Victor klang gereizt, »Ist deine lichte
Stunde schon wieder vorbei?«
Vielleicht gab es
doch eine Verbindung, die er nicht erkannte. »Es ... kitzelt auf der
Zunge ...« Es war verdammt schwer, diese Gefühle mit Worten
auszudrücken. »Eigentlich im ganzen Körper. Man glaubt tausend
Sinne zu haben, die alle zum Leben erweckt werden. Jeder Nerv fühlt
sich wie elektrisiert an.«
»So ähnlich wie
beim Sex, nicht wahr?« Victor lächelte wieder breit, seine Zähne
konnte man nicht übersehen.
Traian stockte der
Atem. Seine erste und einzige sexuelle Erfahrung war von leidvollen
Umständen überschattet. »Ich weiß nicht.«
»Wenn ein
Vampirkörper alt genug ist und diese Empfindungen entwickelt sind,
dann ist er auch in der Lage, die Selbstheilung durchzuführen. Ich
denke, du bist reif genug dafür.« Er lachte, dabei fuhr seine
Rechte Traian über die Schulter. Aha! Das war die Verbindung zu
dieser merkwürdigen Frage. Victor gewann weiter an Sympathie. So
übel, wie er anfänglich auf ihn gewirkt hatte, war er gar nicht.
»Leg dich bequem
hin. Das erste Mal wird es eine Weile dauern. Die
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