Fluegellos
sich wieder auf die Straße. Vor ihm war soweit alles frei, das Zeichen, Gas zu geben. Er wartete nicht auf eine zweite Aufforderung. Er musste zu Alex. Während sich die Tachonadel der 70 näherte, holte er sein Handy aus der Hosentasche. Vielleicht konnte Alex sich ja jetzt dazu aufrappeln, an sein Handy zu gehen, wenn es klingelte. Aber es meldete sich wieder nur die Mailbox. Diesmal wartete Valentin nicht, bis das Piepen ertönte, sondern legte sofort auf. Es hatte doch keinen Sinn, ihn anzurufen. Er ging sowieso nie ran. Er war die Art Mensch, die sich darüber beschwerte, dass andere manchmal nicht erreichbar waren, und selber nie abhob.
Er bog auf die linke Spur und hielt vor der Ampel. Nur noch abbiegen, ein paar hundert Meter durchfahren und dann rechts. Und dann parken. Und dann wusste er, was mit Nina los war, und konnte aufatmen. Weil es vermutlich ohnehin nichts Wildes war.
Das gelbe Licht leuchtete auf und er fuhr los. Nur noch um die Ecke.
Valentin bog nach rechts und parkte direkt vor einem kleinen Lokal. Normalerweise traf er sich hier mit Alex, wenn sie sich verabredeten, aber er wollte jetzt kein Kölsch. Er wollte jetzt nur Antworten.
Er stellte den Motor ab und verließ das Auto. Sofort hastete er über die Straße und hielt vor dem alten Backsteingebäude.
Gerade, als er klingeln wollte, klingelte etwas anderes. Sein Handy.
Alex , schoss es ihm durch den Kopf und er zog es aus seiner Hosentasche. Alex rief ihn an! Besser spät als nie!
Aber es war nicht Alex.
Emilia.
Er biss die Zähne aufeinander und starrte auf das Display. Was wollte sie von ihm? Wissen, ob er wirklich mit Alex unterwegs war? Wollte sie, dass er ihn ans Telefon holte, damit sie sicher gehen konnte, dass Alex nicht in Wirklichkeit Chantal oder Kyra hieß?
»Jetzt kommst du angekrochen«, zischte er. »Jetzt tust du so, als ob ich dich etwas angehe.« Er erwartete, dass sie es jeden Moment aufgab, aber es klingelte weiter. Emilia . Durchgehend dieser Name, der ihm vom Display aus entgegen schrie. Geh ran! Geh ran! Geh ran!
»Kannst du knicken«, fuhr er sein Handy an, drückte den Anruf weg und betätigte die Klingel.
Es gab mittlerweile wichtigere Menschen in seinem Leben als Emilia.
»Ja?«, ertönte eine verschlafene, aber Valentin nur allzu gut bekannte Stimme.
»Alex! Lass mich rein!«
»Valle? Bist du das?«
»Ja, Mann. Und jetzt lass mich rein!«
Alex ließ es sich nicht zwei Mal sagen. Sofort wurde die Tür entsperrt.
»Wieso gehst du nicht an dein verdammtes Handy?«, rief Valentin, noch während er die Treppe hinaufstürmte.
»Hab ich verloren«, kam es zurück.
»Wir haben doch vor zwei Stunden noch telefoniert!«
»Hab’s in den zwei Stunden verloren.«
»Willst du mich verarschen?« Er kam im ersten Stock an und wurde sofort von einem strahlenden, wie immer oben rum nackten Alex begrüßt. Valentin hielt inne, bevor er ihm zur Begrüßung seine Faust hinhielt. »Hast du so auch mit Nina gesprochen?«
Alex runzelte die Stirn. »Wie, so ?«
»Oben ohne halt. Aber das ist auch egal.« Er schob sich an ihm vorbei in die Wohnung. Wie immer malte er gerade an einem abstrakten Gemälde. »Genau darüber wollte ich mit dir reden.«
»Darüber, dass ich weiblichen Besuch ohne T-Shirt empfange?« Alex schloss die Tür und wandte sich ihm zu.
»Nein.« Valentin hielt inne und sah ihn an, wie er da mit nacktem Oberkörper vor ihm stand. Hatte Nina das anziehend gefunden? Er sah ja an sich genau das Gegenteil von schlecht aus. Und dazu noch die Narben ... Er schloss kurz die Augen, um seine Gedanken wieder auf eine andere Spur zu lenken. Nein. Natürlich nicht. Nina konnte das gar nicht anziehend finden. Deswegen war er ja hier. »Auch«, fuhr Valentin fort. »Aber das machen wir ein anderes Mal. Es geht um Nina.«
»Was ist mit der?«
»Was hast du ihr erzählt?«
»Du meinst, wegen ihrem Buch? Sie wollte was über die Verbindung von Seele und Körper wissen.«
Er stockte. »Wegen ihrem …« Verdammt . Sie hatte den alten Trick mit dem Buch angewandt. Das bedeutete, dass Alex vermutlich knallhart ehrlich gewesen war, ganz einfach, weil er nicht gewusst hatte, dass es direkt mit ihr persönlich zu tun hatte. Andererseits zweifelte er nicht daran, dass er auch sonst ehrlich zu ihr gewesen wäre. »Genauer. Was genau hast du ihr erzählt? Was war dein Fazit?«
»Naja.« Er ging in die Küche und Valentin hörte Wasser laufen. »Sie wollte wissen, ob man im lebendigen Zustand seinen Körper
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