Fluegellos
Stimme um mich herum hatte, die meine Gedanken vertrieb?
Ich hatte das Gefühl, dass ich Valentin trauen konnte. Er empfand etwas für mich, und auch, wenn das vermutlich egoistisch klang, das konnte ich nutzen. Er würde sich Sorgen machen. Und außerdem war er Rettungssanitäter gewesen. Wenn mir also doch etwas zustoßen sollte, konnte er mir helfen.
Ich blieb stehen, mitten zwischen meinem Auto und der Haustür.
Ein Rettungssanitäter.
Erschrocken schnappte ich nach Luft. Ich musste ihn anrufen!
Sofort riss ich mir die Handtasche von der Schulter. Mein Blick war plötzlich so klar, wie nie zuvor. Das war es. Das war die Lösung. Valentin würde mir helfen können.
Ich holte mein Handy hervor und hämmerte auf den Tasten herum. Als das Display aufleuchtete und sofort wieder schwarz wurde, wusste ich sofort, dass ich ein Problem hatte. Der Akku war leer.
Verdammt! Aber ich musste ihn jetzt anrufen!
Ich wirbelte herum und rannte zurück zur Haustür. Kaum hatte ich den richtigen Namen entdeckt, betätigte ich den Klingelknopf. Eine Sekunde lang. Zwei Sekunden. Ich drückte durch, flehend, dass sie mich hörte.
»Ja, ist ja schon gut!«, ertönte dann ihre Stimme. »Wer i…«
»Emilia! Kann ich kurz dein Handy benutzen? Ich muss jemanden anrufen. Es ist wichtig!«
Sie schwieg kurz. »Nina?«
»Ja. Und bitte. Jetzt.«
»Klar. Komm rauf!«
Das metallische Surren ertönte und ich wartete keine Sekunde, bevor ich die Tür aufdrückte und ins Innere sprintete.
14
Er hasste Stau. Es war eine Erfindung, die die Menschheit sich hätte sparen können. Er bestand daraus, zu warten, den Fahrer direkt vor einem zu verfluchen, der Ampel tödliche Blicke zuzuwerfen, wenn sie vor einem wieder auf Rot sprang, und alle zwei Sekunden auf die Uhr zu sehen, in der Hoffnung, dass sie gnädig war und absichtlich langsamer tickte.
Aber das tat sie nicht. Im Gegenteil. Die Minuten schienen zu rennen, so schnell sie nur konnten.
Genervt trommelte Valentin mit den Fingern auf das Lenkrad und ließ seinen Blick um sich wandern. Er stand schon seit zehn Minuten im Stau. Ihm war es nicht einmal mehr gelungen, die Straße, in der er wohnte, zu verlassen. Vermutlich parkte der Paketdienst wieder irgendwo direkt auf der einzigen Spur und fühlte sich gezwungen, noch ein wenig Small Talk mit den Belieferten zu führen.
»Mist«, murmelte er und warf einen Blick in den Rückspiegel. Ein Transporter nahm ihm die Möglichkeit, einen Blick auf seine Haustür zu werfen. So konnte er nicht einmal mehr sicher gehen, dass Nina in den paar Minuten nicht das Haus verließ. Aber zumindest würde er sie sehen, wenn sie ihr Auto nahm.
Falls sie ihr Auto nahm.
Der Stau vor ihm lockerte sich und er atmete auf. Endlich.
Er trat aufs Gas und bog um die Kurve auf die Aachener Straße ab. Glücklicherweise musste er jetzt einfach nur geradeaus. Geradeaus und nach fünf Minuten, wenn alles glatt lief, in eine Seitenstraße einbiegen. Aber es würde nicht alles glatt laufen. In Köln lief nie alles glatt. Es gab immer den ein oder anderen Winterschläfer, der nicht auf die Ampeln achte. Es gab immer die Beautyqueen, die sich während der Fahrt schminken musste und einen Furz auf die Vorfahrtsregeln gab. Es gab immer jemanden, der einem den ganzen Tag versaute.
Verbissen trat er auf die Bremse, als ihn die erste Ampel mit ihren rot glitzernden Augen anfunkelte.
Er warf einen beiläufigen Blick hinter sich – und starrte sofort auf ein kleines, gelbes Auto, das wenige Meter hinter ihm stand. War es Nina? Er kniff die Augen zusammen und versuchte, den Fahrer zu erkennen, aber die untergehende Sonne ließ die Scheibe wie einen Spiegel wirken.
Dann ertönte ein durchgehendes Hupen, das ihn aus seinen Gedanken aufschreckte. Die Ampel war auf Grün gesprungen.
Ausnahmsweise war Valentin derjenige, der Menschen wie ihn zur Weißglut brachte.
Er hob entschuldigend die Hand und fuhr weiter, den Blick immer auf den Rückspiegel gerichtet. Er erkannte sie einfach nicht. Er erkannte nicht, wer das Auto fuhr.
Ein Blick auf das Nummernschild jagte ihm einen eisigen Schauer den Rücken hinunter. Er erkannte zwei Buchstaben.
K N
Köln. Nina. Wenn hinter dem N ein S stand, dann … Ja, was dann? Sprang er dann aus dem Auto, um sie von der Straße zu schaffen? Wozu?
K NT
Er atmete auf. Um einen Buchstaben verfehlt. Es war nicht Nina. Die Fahrerin war blond und trug eine Brille.
Nina war weder blond, noch trug sie eine Brille.
Er konzentrierte
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