Fluegelschlag
Feldmäuse suchten im hohen Gras nach Futter. Im Gebüsch weiter links kauerten sich Hasenkinder eng an ihre Mutter. Arian hatte inzwischen die Reste der ersten Etage erreicht, und der doppelte Herzschlag war direkt unter ihm zu hören. Von einem Dämon keine Spur.
Von hier aus blickte er durch die weggebrochene Decke direkt in die unterste Ebene, in die kaum ein Lichtstrahl des Mondes reichte. Wie ein Schatten nutzte er die stetige Brise von der See, um unbemerkt hinabzugleiten, und fand sich gleich darauf in fast vollständiger Dunkelheit wieder. Ein leises Knurren wies ihm den Weg, und in ihm wuchs die Hoffnung, Juna und ihren Hund unverletzt zu finden.
Schnell hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt und durchdrangen sie mühelos, während er dem Herzschlag folgte, ohne einen Fuß auf den staubigen Boden zu setzen.
»Du!«
Vor Enttäuschung hätte er sich am liebsten auf John gestürzt, der in eine Ecke gedrückt stand und sich auch jetzt nicht rührte. Der Grund war schnell ausgemacht: Sein Hosenbein war zerfetzt, das Bein darunter auch. Daher also der Blutgeruch! Vor John saß Finn und machte auch jetzt keine Anstalten, seinen Posten aufzugeben, obwohl die Ohren verrieten, dass er jede von Arians Bewegungen registrierte. John hob schützend die Arme vors Gesicht, woraufhin sich sein vierbeiniger Bewacher halb erhob und lauter knurrte.
Er wich weiter in seine Ecke zurück. »Ich habe nichts damit zu tun!«
Arian trat näher und kraulte Finn hinter einem Ohr, bis sich der wachsame Setter leicht an sein Knie lehnte.
»Womit?« Arians Stimme klang weit weniger mörderisch, als ihm zumute war. Offenbar gelang es ihm allmählich, die bedauerlicherweise meist zur Unzeit tobenden Emotionen besser zu verbergen. John zuckte dennoch zusammen wie unter einem Peitschenschlag, und das gefiel Arian. »Rede!«
Allmählich ging John auf, dass dieser lästige Freund seiner Schwester mehr war als ein arroganter Schönling, der es offensichtlich nur darauf angelegt hatte, ihm die Tour zu vermasseln. Immerhin wirkte der Typ kontrollierter als bei ihrer letzten Begegnung.
Zu welchen Abscheulichkeiten der Dämon fähig war, wusste er dagegen inzwischen nur allzu gut, und auch seine Drohung hatte er nicht vergessen: Ein Wort über deine Verbindung zu mir, und du darfst die Hölle von ganz unten kennenlernen! Keine verlockende Aussicht. Besser also, er ließ sich schnell etwas einfallen. »Ich bin so froh, dass du hierhergefunden hast …«, begann er stockend und wartete darauf, dass der Mann seinen Namen preisgeben würde. Damit hätte er ihn bereits so gut wie in seiner Gewalt.
»Arian.«
»Wie ich sehe, bist du kein Freund großer Worte.« Ebenso gut hätte er mit einer Steinskulptur sprechen können. Als er begriff, dass keine Reaktion zu erwarten war, fuhr sich John mit der Hand durchs Haar. Der Name war immerhin schon etwas.
Finn knurrte, und er zuckte zurück.
Nácars Abgang hatte John schockiert. Natürlich wusste er, dass sein Geschäftspartner nicht ungefährlich war, aber er hatte geglaubt, dass ihr Handel in letzter Zeit von Geben und Nehmen bestimmt worden war. Niemals zuvor war die ursprüngliche Herkunft des Dämons deutlicher geworden. Die Beute im Arm, mit riesigen Flügeln, dass John schon dachte, sie würden die Ruine zum Einsturz bringen, war er aufgestiegen wie ein alles vernichtender Todesengel. John war froh gewesen, dass zumindest ein lebendiges Wesen mit ihm zurückgeblieben war. Doch als er sich nach dem Hund
umgesehen hatte, war dieser ebenfalls verschwunden gewesen. Und er konnte es dem Köter nicht einmal verdenken. Natürlich hatte er nicht ernsthaft angenommen, er würde ihm dabei behilflich sein, seine Fesseln zu lösen, aber ein wenig Gesellschaft in der Dunkelheit wäre ihm durchaus willkommen gewesen. Also hatte er sich die Zeit damit vertrieben, an einhundertvierundvierzig nackte Brüste zu denken und sich schon mal testweise als Märtyrer zu fühlen. Soweit es seine Fantasien im Ruinieren lieblicher Jungfrauen betraf, war er auch außerordentlich erfolgreich. Das Seil an seinen Handgelenken gab sich dagegen spröde, und als er es endlich unter Zuhilfenahme einer geeigneten Mauerkante gelöst hatte, ließ er sich erschöpft zu Boden sinken.
Der dämliche Köter wollte ihm allerdings keine Ruhe gönnen. Er kam von irgendwoher angerannt und begann, seine Hände zu lecken. John spürte die raue Zunge kaum und ließ ihn gewähren, bis das Gefühl allmählich in die seit
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