Fluegelschlag
Genugtuung, wenn ein weiterer Schutzengel enttarnt war. Er sah aber auch Elend, Furcht und die mörderische Kraft der Sucht, die Johns Handeln bestimmte. Erschüttert sah er Iris’ Tod. Und zum Schluss entdeckte er unter all der Bosheit und Gier doch ein wenig Mitleid mit seiner Schwester, die sich nun in den Händen des Dämons befand.
Hätte daneben nicht die weit größere Flamme der Missgunst gelodert, Arian hätte angesichts dieser verlorenen Seele womöglich Bedauern empfunden. »Du hast sie verraten, und jetzt neidest du ihr das grausame Schicksal, dem du sie ausgeliefert hast?« Angeekelt stieß Arian den Verräter von sich. Es gab keinen Grund, ihn zu schonen. »Wer hat sie entführt?«
Anstelle einer Antwort presste John die Lippen zusammen. Sein Dämon spielte in einer ganz anderen Liga. Jedenfalls glaubte er dies bis zu dem Augenblick, als er aus einem merkwürdigen Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit erwachte und sich an einem Ort wiederfand, der nichts mit der alten Burgruine gemein hatte.
Arian hatte entschieden, Finn nicht allein zurückzulassen. Selbst für ihn war es nicht ganz einfach, John und den Hund
zu transportieren, also hatte er beide kurzerhand in Trance versetzt, bis sie Cathures Gästehaus in Glasgow erreichten. Auf der Terrasse legte er seine Last ab: den Hund sehr behutsam und voller Sorge, das Tier verängstigt zu haben, John dagegen weniger rücksichtsvoll. Er weckte die beiden und schob seine Geisel vor sich in den großen Salon, Finn trottete hinterher. Um ihn hätte er sich keine Sorgen zu machen brauchen. Als sei nichts Bemerkenswertes geschehen, nahm er die Bewachung des Gegners wieder auf.
Arian betrachtete das Tier nachdenklich, während er zum Hörer griff, um Cathure sein Problem zu schildern.
»Geh nicht fort!«
Damit zog er sich in den Nebenraum zurück, um dort ungestört sprechen zu können. Je weniger John wusste, desto größer waren seine Überlebenschancen. Juna hätte sich gewünscht, dass er ihren Bruder schonte.
Es dauerte nicht lange, bis es klopfte. Zwei ungewöhnlich schlanke, hochgewachsene Männer mit schlohweißem Haar standen vor der Tür. Um in der Öffentlichkeit nicht allzu sehr aufzufallen, hatten sie es im Nacken zusammengebunden, was ihre fein modellierten, hochmütigen Gesichter allerdings nur betonte. Arian wusste es besser, als sich von ihrer eleganten Erscheinung täuschen zu lassen, und beobachtete jede ihrer Bewegungen, während sie das Apartment betraten.
Cathure hatte nicht nur jemanden geschickt, sondern war gleich selbst mitgekommen und erschien so unerwartet und aus dem Nichts vor John, dass dieser einen erschreckten Schrei ausstieß.
»Nehmt ihn mit!«
Die Männer eskortierten ihren Gefangenen wortlos
hinaus, ohne sich die Mühe zu machen, ihm Fesseln anzulegen, als wüssten sie genau, dass er es nicht wagen würde zu fliehen. Cathure ging zu Arians Überraschung vor Finn in die Hocke und kraulte den Hund sanft hinter dem zu kurzen Ohr. »Da bist du also.«
»Er gehört dir?«
Cathure erhob sich. »Finn gehört niemandem. Wie kommt es, dass er bei dir ist?«
»Er lebt bei Juna und Iris.« Den Namen von Junas Schutzengel auszusprechen, fiel ihm nicht leicht. Er fühlte sich für ihren Tod verantwortlich. Auf Cathures Frage hin fasste er mit wenigen Worten die Ereignisse zusammen.
»Die Angelegenheit wird sehr persönlich, meinst du nicht …?«
»Das ist mir gleich!«
Arian würde den Dämon zur Strecke bringen, und wenn dies bedeutete, dass er dafür bis zum Ende der Zeit in Gehenna gefangen wäre, dann sollte es so sein. Er sah, dass seine heftige Reaktion Cathure beleidigt hatte. »Entschuldige. Du hast natürlich Recht. Aber durch mich ist Juna in Gefahr geraten.«
Cathures Haltung entspannte sich, obwohl er weiter Skepsis ausstrahlte.
Natürlich wusste Arian ebenfalls, dass Junas außerordentliche Fähigkeiten, da sie nun einmal bekanntgeworden waren, ihr nie wieder ein unbeschwertes Leben in Sicherheit erlauben würden. »Ich werde sie beschützen.« Arian hatte zu sich selbst gesprochen. Es war ein Gelübde.
Cathure hatte John in ein Gefängnis bringen lassen, das nicht nur tief unter der Erde lag, sondern einer anderen
Welt angehörte. Die Wände glitzerten, als seien sie mit Eis überzogen und von einem geheimnisvollen Licht durchdrungen. Eine feine Melodie lag in der Luft. Arian erkannte sein Element und wusste, dass sich der Wind als mysteriöser Flötenspieler präsentierte. Cathures Haare
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