Fluegelschlag
sagte die erste wieder und klang ein wenig enttäuscht. »Ich glaube, es will nicht spielen.«
Juna hatte keine Ahnung, wo sie gelandet war. In einer speziellen Hölle für Tierärzte vielleicht. Aber warum? Zuletzt hatte sie eine nächtliche Autofahrt unternommen und dabei bereits ein schlechtes Gefühl gehabt, als wäre es ein großer Fehler, allein auf die Reise zu gehen. Warum sie diese unternommen hatte und was danach geschehen war, blieb im Dunkel ihres Gedächtnisses verschollen. Das filigrane Konstrukt ihrer Erinnerungen kam ihr merkwürdig vor, fast, als zöge ein Nebel hindurch, der in einigen Bereichen umso undurchdringlicher wurde, je näher sie ihnen kam. Sie wischte sich über die Stirn, sah auf und blickte direkt in zwei längliche Pupillen.
»Es sieht traurig aus.«
Das war genug. »Ich bin kein Es !« Ihre Stimme klang wie ein Fauchen. Offenbar passte sie sich bereits dem hiesigen Konversationston an.
Die neugierige Katzenfrau zog sich sofort zurück, ihr Schwanz schlug ein paar Mal hin und her. Plötzlich stand sie auf, mehr Frau als Katze, und begann zu lachen.
»Du hast also eine Stimme. Wunderbar.« Sie wandte sich an ihre Begleiterin. »Zum Baden bleibt keine Zeit. Hol die Kleider.« Und als die andere zögerte, klatschte sie in die Hände und rief: »Schnell, schnell! Der Marquis wartet nicht gern.« Sie nahm Juna an der Hand, von den Krallen war jetzt nichts mehr zu sehen, und auch ihr Gesicht wirkte menschlicher. Ihre Gestalt war es ohnehin, und der Jumpsuit, den Juna ursprünglich für ihren Pelz gehalten hatte, zeigte viel Figur und eine Taille, so schmal, dass sogar Junas Hände beinahe ausgereicht hätten, sie zu umfassen.
Juna wurde zu einem Tisch geführt, und es war klar, dass sie sich auf den zurechtgerückten Stuhl setzen sollte. Was blieb ihr anderes übrig, als sich zu fügen? So unauffällig wie möglich sah sie sich um. Dort drüben befand sich eine Tür, aber obwohl sie es nicht hätte begründen können, sagte ihr Gefühl, dass sie nicht der Ausweg aus dieser Situation war. Blitzschnell kniff sie sich. Und es tat weh! Kein Traum also, vielmehr ein Alptraum der Sorte Aufwachen-ist-keine-Option. Vielleicht wäre es nicht verkehrt, mehr über ihre beiden Gesellschafterinnen zu erfahren. Sie wirkten ein wenig wie das grausame Katzenpaar Si und Am aus Aristocats, das stimmte schon. Doch mit Tieren kannte sich Juna aus … hoffte sie zumindest.
»Ich bin Juna«, sagte sie freundlich und bemühte sich, ihrer Stimme einen weichen Klang zu geben, der nichts von ihrer Furcht verriet. »Und ich war noch nie hier … glaube ich.«
Irgendetwas hatte sie vergessen. Juna meinte fast sehen zu können, wie ihre Erinnerung um eine Ecke floh, bevor sie tatsächlich greifbar wurde. Ich muss mich auf das Naheliegende konzentrieren. Sie spürte den fragenden Blick der Katzenfrau. »Kannst du mir sagen, wo ich bin?« Vielleicht war es nicht weise, sich auszuliefern, indem man eine Schwäche zugab. Es stellte sich nur die Frage, welche Alternativen sie hatte. Schweigen und Abwarten gehörten nicht dazu.
»Du bist beim Marquis, natürlich!« Eine stolze Antwort.
»Und wer ist …?«
»Es kennt den Marquis nicht!« Die andere Katzenfrau, eher ein Katzenmädchen, wie Juna bei näherem Hinsehen feststellte, kam mit einem fahrbaren Kleiderständer zurück.
»Bébête, du hast die Schuhe vergessen.«
»Schuhe?« Das Mädchen sah sich orientierungslos um, bis plötzlich ein Strahlen ihr Gesicht erhellte. Ihre Schwanzspitze vibrierte, mit einem Satz machte sie kehrt und sprang davon. Juna konnte sich Bébêtes Charme schwer entziehen und sah ihr lächelnd nach.
»Bitte entschuldige meine Schwester, sie ist manchmal noch ein Kind. Ich bin übrigens ZinZin.« Sie nahm eine Bürste und fuhr mit langen, gleichmäßigen Strichen durch Junas Haar. »Du hast ein schönes Fell. Wenn ich fertig bin, wird es glänzen wie kochendes Gold«, schnurrte sie.
Juna fand den Vergleich ein wenig beunruhigend, aber als sie das vulkangraue Kleid sah, das die beiden für sie ausgesucht hatten, vergaß sie alles andere. ZinZin hielt ihr Haar, während Bébête ihr den kühlen schweren Stoff etwas ungeschickt überzog. Gleich darauf schmiegte es sich an ihren Körper, und heiße Panikwellen durchfluteten sie, weil es ihr auf einmal vorkam, als verändere es sie keineswegs nur oberflächlich. Das fremdartige Material schien in ihre Poren einzusinken und zu einer zweiten Haut zu werden. Doch dann fühlte sie ihr
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