Fluegelschlag
ihren ersten Flug mit Arian.
Und an den Kuss. Trotz der Dunkelheit sah sie deutlich, wie sich sein Kopf langsam zu ihr herabsenkte, nahm das Kitzeln wahr, das seine dunklen Haare ausgelöst hatten, sobald sie ihre Haut berührten.
Als ihre Lippen eine sanfte Berührung spürten, reagierte sie im ersten Augenblick überhaupt nicht. Doch es dauerte nicht lange, und eine Flut verstörender Gefühle durchströmte sie, erhitzte ihren Körper und weckte ihn aus seinem Dornröschenschlaf. Instinktiv schmiegte sie sich an ihn, als habe sie eine Ewigkeit auf diesen Kuss gewartet. Arian strich ihr Haar beiseite, legte eine warme Hand in ihren Nacken und zog sie noch näher zu sich heran. Sie seufzte in seine geöffneten Lippen hinein, und irgendetwas schien in ihm zu brechen.
»Arian!«
»Juna, ist alles in Ordnung?«
Nichts war in Ordnung. Rasch wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen. »Natürlich. Es ist nur … Könntest du die Lüftung etwas runterdrehen?«
»Klar!«, sagte Sirona trocken und schaltete die Klimaanlage umständlich aus.
Bis zum ersten Halt nördlich des Lake District sprachen sie nicht mehr viel, jede hing ihren eigenen Gedanken nach. Dann übernahm Juna das Steuer, und weil es ihr an Erfahrung mangelte - bisher hatte sie noch nie eine so weite Strecke mit dem Auto zurückgelegt -, konzentrierte sie sich lieber auf den Verkehr. Und selbst als Sirona wieder selbst fuhr, nachdem sie Birmingham passiert hatten, plauderten sie nur über belanglose Dinge.
Bevor sie London erreichten, machten sie eine letzte Pause, damit Finn noch ein bisschen laufen konnte. Eine Großstadt war kein Vergnügen für einen Hund wie ihn.
»Da sind wir.« Sirona stellte den Motor ab, und die darauf folgende Ruhe war eine Erleichterung. »Die schicken Häuser sind alle ausgebucht, ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass wir hier wohnen. Dieses Hotel liegt ja immerhin sehr zentral, und ehrlich gesagt«, sie zwinkerte ihr zu, »mag ich es auch lieber etwas einfacher.«
Kurz zuvor waren sie an mehreren eleganten Geschäften vorbeigefahren, und Juna konnte sich denken, warum ihre kaufsüchtige Freundin diese Gegend so sehr schätzte.
Als einfach konnte man das Hotel nicht bezeichnen. Ein Doorman begrüßte sie höflich, wobei er den Zylinder zog. Das Gepäck werde ihnen gebracht, versprach er, öffnete die Tür in ein warm erleuchtetes Foyer und warf den Autoschlüssel einem livrierten Jüngling zu, der ihren Wagen mit einer Miene musterte, die nahelegte, dass er üblicherweise Bentleys parkte und selten Mittelklassewagen mit Vierradantrieb, wie sie die Klientel vom Lande fuhr.
»Willkommen zu Hause!«, sagte Juna mehr zu sich selbst und bereute es beinahe schon, nach London gekommen zu
sein. Zu viele Dinge erinnerten sie an die weniger glücklichen Jahre ihrer Jugend.
Ihre Zimmer lagen zum Glück nebeneinander, und Sirona klopfte schon wenige Minuten, nachdem sie in ihrem verschwunden war, an Junas Tür. »Ich springe noch einmal zu Harrods rüber. Möchtest du mitkommen?«
Sie mochte nicht. Juna fühlte sich überhaupt nicht wohl. Genau diese Welt hatte sie mit ihrem Umzug nach Glasgow hinter sich lassen wollen - und ein Besuch in dem zugegebenermaßen faszinierenden Luxuskaufhaus gehörte genau zu den Dingen, die sie früher am meisten gehasst hatte, weil er bedeutete, dass wieder einmal eine neue Schuluniform fällig war. Ihre Stiefmutter hatte dabei jedes Mal einen Weg gefunden, etwas Abfälliges über Junas Figur oder Haltung zu äußern. Da half es auch nichts, wenn die Schneiderin ihr zuflüsterte, sie sei sehr hübsch und der Rest käme schon noch. Genau die richtige Bemerkung, um einen unsicheren Teenager aufzumuntern, für den platte Bohnenstange noch das Netteste war, was die Mitschülerinnen über sie zu sagen hatten. Die Schneiderin hatte zwar Recht behalten, und Arian schien nichts an ihrer schlanken Figur auszusetzen zu haben, aber das hatte sie damals nicht wissen können.
Juna verdrängte die Erinnerungen und bemühte sich, den scharfen Schmerz zu vergessen, der ihre Brust eng werden ließ, sobald sie an Arian dachte. Sie versuchte ein Lächeln. »Ich bin ziemlich erschöpft.«
Sirona war das Wechselspiel ihrer Miene vermutlich nicht entgangen, denn sie sagte ungewohnt sanft: »Kein Problem. Leg dich ruhig etwas hin. Diese informellen Treffen sind immer anstrengender als die eigentliche Veranstaltung, findest du nicht auch?«
Juna hatte keine Ahnung, was Sirona meinte, und als sie Finns
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