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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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seiner Bewegungen genau beobachtete. Plötzlich rieb der Eindringling die Hände aneinander, als fröstele er, während sich seine Schritte verlangsamten.
    Arian war alarmiert. Für diesen Sterblichen mochte er unsichtbar sein, doch gänzlich unbemerkt war er nicht geblieben, was wahrscheinlich bedeutete, dass seine Kräfte noch nicht vollständig wiederhergestellt waren. Immerhin aber hatten sie ihn nicht verlassen.
    Zuversichtlich, doch gewarnt folgte er dem Mann mit ausreichendem Abstand die Holztreppe hinauf. In der oberen Etage stand zur Rechten eine Tür offen. Nachdem Arian einen Blick hineingeworfen hatte, war er sich sicher, dass hier normalerweise der Großvater wohnte. Gespannt darauf, wie es weitergehen würde, betrachtete er den Fremden genauer. Dieser trug einen Anzug, der dem teuren Schneider, aus dessen Hand er zweifellos stammte, alle Ehre machte. Doch offenbar wusste sein Träger Qualität nicht zu schätzen, denn sonst hätte er sich bestimmt mehr Mühe mit der Pflege der ebenfalls handgearbeiteten Schuhe gegeben. Das Leder wirkte stumpf, und über den linken Schuh zog
sich eine unansehnliche Schramme. Die Hände des Eindringlings waren ständig in Bewegung, und obwohl Arian das Gesicht nicht sehen konnte, wusste er, dass sich die wasserblauen Augen unruhig hin und her bewegten. Normalerweise fühlte sich kein Mensch in der Nähe von Engeln unwohl, ganz egal, ob sie unsichtbar waren oder in Menschengestalt erschienen. Man musste eine dunkle Seite besitzen, um so zu reagieren, wie der Eindringling es getan hatte.
    Je länger Arian ihm bei seiner Suche zusah, desto deutlicher wurde, dass er allen Grund hatte, ihn oder jeden anderen Abgesandten der ewigen Gerechtigkeit zu fürchten. Er verlor keine Zeit, zog Schubladen auf, durchwühlte jede und fluchte lästerlich, sobald er erkannte, dass sich keine Wertgegenstände darin befanden. Dabei ging er äußerst systematisch vor, und Arian war sich bald sicher, dass er es mit einem Dieb zu tun hatte, der so etwas nicht zum ersten Mal tat. Zwischendurch hielt er immer wieder inne und lauschte, einmal sah er nervös zur Tür.
    Arian erwartete bereits, entdeckt zu werden, als der Mann einen kleinen Schraubenzieher hervorzog und sich an dem alten Stehpult zu schaffen machte, das vor einem der Fenster zum Garten stand. Behutsam schraubte er zwei Beschläge ab.
    Interessiert ging Arian näher heran und beobachtete, wie er mit den Fingerspitzen über eine Metallschiene fuhr. Sein triumphierendes Lächeln verriet ihn Sekunden bevor ein verborgenes Fach aufsprang, das einem weniger erfahrenen Einbrecher gewiss längere Zeit verborgen geblieben wäre. Er griff hinein und zog eine Rolle Pfundnoten hervor. »Wusste ich’s doch!« Mit flinken Fingern zählte er das Geld
und spuckte aus. »Zehntausend Quid! Verflucht, du alter Geizkragen. Das reicht nicht!«
    Jemanden zu bestehlen, den man kannte - und davon ging Arian inzwischen aus -, war nicht unbedingt das, was man sich unter einem liebenswerten Charakter vorstellte. Er war neugierig, was der Mann als Nächstes vorhatte - nur aus diesem Grund hielt sich Arian weiterhin verborgen. Auf dem Rückweg ins Erdgeschoss hätte er sich wahrscheinlich nicht einmal die Mühe machen müssen, unsichtbar zu bleiben. Die Gier hatte den Mann blind und taub für seine Umgebung gemacht; polternd lief er die Treppe hinab. Nach einem Sprung über die letzten drei Stufen, der verriet, dass er sich in diesem Haus auskannte, steuerte er direkt auf Junas Zimmer zu und ging hinein. »Opas Liebling hat bestimmt auch etwas Schönes für mich …« Mit diesen Worten öffnete er eine der Schranktüren und betrachtete einen Augenblick lang die ordentlich gefalteten Kleidungsstücke, als überlege er, wo er mit seiner Suche beginnen sollte. Schließlich fing er an, in Junas Unterwäsche zu wühlen. Es dauerte nicht lange, bis er etwas gefunden hatte. Mit einem Umschlag in der Hand ging er zum Fenster, um ihn dort zu begutachten. Dabei versetzte er dem Lämmchen auf Junas Bett im Vorbeigehen einen Schlag, so dass das Stofftier durch den Raum flog. »Tja, meine Liebe, du hättest das Haushaltsgeld doch besser einer Bank anvertrauen sollen.« Sein Diebeszug war offenbar beendet. Er nahm eine beachtliche Menge Geldscheine heraus, zerknüllte den Umschlag und warf ihn aufs Bett. Dabei streifte sein Blick den Nachtschrank. »Sieh mal an, wenn das nicht Omas Schmuckkästchen ist. Das Zeug kann ich besser gebrauchen als du!« Damit griff er nach einer

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