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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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vor?«
    John erholte sich erstaunlich schnell von der Überraschung. Mit ausgestreckten Armen ging er auf sie zu und blieb erst stehen, als Finn neben ihr unüberhörbar zu knurren begann. »Hallo Schwesterchen. Sag nicht, der Typ wohnt hier!« Er warf einen vielsagenden Blick auf Arians Kilt. »Er wollte mit unserem Geld verschwinden!«
    Juna sah ihn an. »Stimmt das?«

    Arian hätte ihrem nichtsnutzigen Bruder am liebsten den Hals umgedreht. Doch aus Junas Blick und Haltung las er, wie die Situation auf sie wirken musste: Sie hatte ihn für einen Einbrecher gehalten und dennoch nicht nur seine Wunde versorgt, sondern ihm auch noch Obdach für die Nacht gewährt. Damit nicht genug, hatte sie ihm sogar so weit vertraut, ihn allein in ihrem Haus zurückzulassen. Und nun behauptete ihr Bruder, er habe Arian beim Stehlen erwischt. Die Erklärung, die ihm schon auf der Zunge gelegen hatte, schluckte er herunter und schwieg.
     
    Juna sah von einem zum anderen. Ihr Bruder war ein gut aussehender Mann. Mittelgroß, schlank, mit dem Gesicht eines Engels , wie ihre Mitschülerinnen immer geseufzt hatten, wenn sie um eine Einladung zum Tee regelrecht bettelten. Und dies keineswegs, weil sie Juna zu ihrem Freundeskreis zählten.
    Die Mädchen taten es nur, weil jede von ihnen hoffte, es würde ihr gelingen, John MacDonnell für sich zu interessieren. Schon früh war er sich dieser Wirkung auf Frauen bewusst gewesen und hatte sie schamlos ausgenutzt. In letzter Zeit allerdings, fand Juna, hatte er einiges von seinem Charme verloren. Seine Anspannung entging ihr nicht. Für jemanden, der so großen Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild legte, sah er regelrecht mitgenommen aus. Seine blonden Haare waren ungekämmt, die Seidenkrawatte hing schief. Das halbe Lächeln, das zu sagen schien: Sieh mich an, kann so jemand lügen? , verfehlte allerdings auch dieses Mal seine Wirkung nicht. Mit großen Augen sah sie Arian an: »Ich habe dir vertraut!«

     
    Die Traurigkeit, die in diesen Worten mitschwang, ließ sein Herz nicht unberührt. Enttäusche mich nicht! , hatte sie ihn am Abend zuvor mit leiser Stimme gebeten, und ihm war klar gewesen, wie schwierig es werden würde, diese Bitte zu erfüllen. Dass er allerdings dermaßen schnell in Ungnade fallen würde, bestürzte ihn. Er wandte sich von Juna ab. Mitfühlende Worte, davon war er überzeugt, hätten sie nur noch mehr verletzt.
    Aber er hatte nicht mit Junas Überlebenswillen gerechnet. Erstaunt beobachtete er, wie sich ihr Körper straffte und die Augen schmal wurden. Sie wies ihm tatsächlich die Tür. »Raus! Alle beide raus hier. Ich will keinen von euch jemals wiedersehen!«
    Arian gehorchte ohne Widerspruch. In ihrer Stimme klang eine so wütende Verzweiflung mit, die jeden Menschen unberechenbar machen konnte, und in dieser Situation wären Erklärungsversuche ohnehin sinnlos. Schweigend verließ er das Haus und schloss leise die Tür hinter sich.
     
    John folgte ebenfalls dem Befehl seiner Schwester, die immer noch wie eine Rachegöttin wirkte, obwohl sie vermutlich am liebsten geweint hätte. Er machte ein paar Schritte, dann blieb er jedoch vor ihr stehen und sah zurück zum Bett, auf dem die Pfundnoten verstreut lagen, die er so dringend benötigte. »Das ist verdammt viel Geld. Du solltest solche Summen nicht im Haus aufbewahren. Gib es mir, ich bringe es für dich zur Bank.«
    Juna stellte die Schmuckschatulle zurück, deren Inhalt sie gerade kontrolliert hatte, und sah John wortlos an.
    »Okay, okay. Aber ich könnte das Geld im Moment wirklich
gut gebrauchen. Nächste Woche hast du es zurück, ganz bestimmt.«
    »Die Brosche«, war ihre einzige Antwort, und er kannte seine Schwester gut genug, um zu wissen, dass es keinen Sinn hatte, weiter zu bitten. Ärgerlich griff er in die Hosentasche und legte ihr das Schmuckstück in die ausgestreckte Hand, wobei er absichtlich die Nadel tief in das Fleisch drückte. Juna ließ sich nichts anmerken. Mit dieser verdammten Selbstbeherrschung hatte sie ihn auch früher schon fast zu Weißglut gebracht. Am liebsten hätte er vor Wut und Enttäuschung geschrien. Die Brosche war antik und hätte ihm bestimmt ein paar Hundert Pfund gebracht. Einzeln wären die Steine vielleicht sogar noch mehr wert. Er würde zurückkommen müssen, und zwar bald. Und dann würde ihn niemand davon abhalten, sich zu nehmen, was ihm zustand. An der Haustür blieb er noch einmal stehen. »Weiß Großvater eigentlich, dass du sein

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