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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Highlander-Kostüm an wildfremde Männer verleihst?«
    »John!«
    »Oh, ich vergaß, dein Ruf und was die Leute von unserer Familie denken, das war dir ja sowieso immer schon egal.«
    Endlich eine Reaktion. Zufrieden lächelnd genoss er den Anblick ihrer funkelnden Augen, dann drehte er sich um und schlug die Haustür schwungvoll hinter sich zu.
     
    Juna rannte ins Bad und drehte die Dusche weit auf. Ohne auf ihre Kleidung zu achten, stellte sie sich unter den eisigen Wasserstrahl, bis der Schmerz in ihrem Inneren allmählich von der Kälte überdeckt wurde. Irgendwann gaben ihre Knie nach, und sie ließ sich willenlos an den Fliesen heruntergleiten. Nur mühsam brachte sie die Kraft
auf, nach oben zu greifen und mit zitternder Hand das Wasser abzudrehen.
     
    Anstatt seiner Wege zu gehen - jetzt, da er offenbar wieder ungesehen unter den Menschen wandeln konnte -, nutzte Arian seine Fähigkeit, um John zu folgen. Erneut unsichtbar und an die Hauswand gelehnt, hatte er nach seinem Rausschmiss überlegt, was er nun tun sollte. Plötzlich war ihm aufgegangen, was ihn seit der Auseinandersetzung mit Junas Bruder irritiert hatte: Die ganze Zeit war kein Schutzengel aufgetaucht, und man sollte doch meinen, dass seine Hand an Johns Kehle eine konkrete Bedrohung dargestellt hatte. Vielleicht glaubte Junas Bruder, unverwundbar zu sein, und sein Schutzengel war der gleichen Meinung. Möglicherweise aber - und sein Instinkt verriet Arian, dass dies der Fall war - wachte überhaupt kein Schutzengel über John. So etwas kam vor und konnte verschiedene Gründe haben.
    Auch Menschen, die keine reine Weste hatten, wurden von Schutzengeln bewacht. Anderenfalls hätten die himmlischen Helfer ziemlich wenig zu tun gehabt. Doch wenn sich ein Sterblicher bewusst mit dem Bösen eingelassen hatte, konnte es vorkommen, dass er eines Tages buchstäblich von allen guten Geistern verlassen wurde. Möglich, dass Arian sich nicht geirrt hatte, als er einmal ganz kurz etwas sehr Dunkles in Johns Aura zu spüren geglaubt hatte.
    Vielleicht war Johns Schutzengel aber auch den Entführern zum Opfer gefallen, und Nephthys hatte ihn nicht zu Juna, sondern zu ihrem Bruder gesandt. Auch wenn ihm diese Möglichkeit überhaupt nicht gefiel, durfte er sie nicht ignorieren. Natürlich konnte es auch sein, dass Johns Beschützer
einfach nur einem anderen Schützling hatte zur Seite stehen müssen. Auch dies konnte geschehen und wurde, sofern es fatale Folgen hatte, in himmlischen Kreisen gern als bedauerlicher Unglücksfall bezeichnet.
    Es gab zu wenige Schutzengel, und täglich wurden mehr Menschen geboren. Hinzu kam, dass sich nicht viele Verstorbene eigneten, eine solch selbstlose Aufgabe zu übernehmen. Ohnehin kamen die wenigsten auf die Idee, ein Engagement zum Wohl anderer zu zeigen - nicht einmal, wenn ein Todesengel sie am Ende ihrer irdischen Existenz mit der Nase darauf stieß. Mehr als Hinweise zu geben, war den himmlischen Betreuern Verstorbener allerdings nicht gestattet. Zum Schutzengel missioniert wurde niemand.
    Dabei war es bestimmt nicht der schlechteste Job. Anders als ihre höhergestellten Kollegen behielten Schutzengel ihre empathischen Fähigkeiten. Nächstenliebe war eine Herzensangelegenheit jenseits von Recht und Ordnung. Am ehesten fanden sich noch Engel, die bereit waren, über Kinder zu wachen, aber himmlische Begleiter, die sich freiwillig um Verbrecher und Unholde kümmerten, waren rar. Tragisch, denn ihre erfolgreiche Arbeit stellte die einzige Chance für reuige Sünder dar, am Ende vielleicht doch nicht ihren ansonsten sicheren Platz in der Hölle einnehmen zu müssen.
    Arians Schulter schmerzte, als beherberge sie tausend Höllen, während er Junas Bruder unbemerkt die Straße entlang folgte. Er hielt nicht viel von diesen Resozialisierungsengeln , wie seinesgleichen sie hinter vorgehaltener Hand gelegentlich nannten. Selbstverständlich erledigten sie einen ehrenhaften Job, aber nur wenige - Engel wie Menschen - wussten dies zu schätzen. Niemand sprach es
laut aus, doch die meisten fragten sich, wozu es ein ordentliches Fegefeuer gab, wenn sich jeder mir nichts, dir nichts bereits zu Lebzeiten reinwaschen konnte?
    John reihte sich an einer Bushaltestelle in die Warteschlange ein. Seine Hände waren in den Hosentaschen vergraben und zu Fäusten geballt. Konzentriert blickte er auf die rechte Schuhspitze, die einen nervösen Rhythmus auf den Asphalt trommelte. Nach langen Minuten kam der Bus, und die Menge rückte vor, um

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