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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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wenn du mit einem Dämon sprichst.«
    Seine Lippen berührten dabei fast ihren Hals, und Juna konnte einen Schauder nicht unterdrücken. Sofort ließ er
sie frei, und sie floh in die relative Sicherheit hinter den Küchentresen. Dort bemühte sie sich, trotz ihrer zitternden Hände Kaffee zu kochen, auf den sie jetzt gar keine Lust mehr hatte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, aber nicht vor Angst, wie man hätte meinen können. Oh, sie fürchtete sich schon, aber es war die Reaktion auf seine plötzliche Nähe, die sie bis tief ins Mark erschüttert hatte.
    Als sie endlich wieder aufsah, stand er immer noch am gleichen Fleck und betrachtete sie nachdenklich. Es war wahrlich keine Schande, ihn attraktiv zu finden. Die Hände lässig in den Taschen vergraben, wirkte er jung und ein bisschen verwegen. Letzteres lag wohl auch daran, dass Haltung und Aussehen besser zu einem nächtlichen Szenegänger gepasst hätten als zu der klassischen Kleidung mit schwarzem Rollkragenpullover, der offenbar zu seinen Lieblingskleidungsstücken gehörte. Die Existenzialistenclique, in deren Gesellschaft sich ihr Großonkel Lord MacDonnell während seines Literaturstudiums in Paris gern hatte ablichten lassen, hätte nicht lässiger aussehen können. Die blonden Haare standen im krassen Gegensatz dazu, sie wirkten immer ein bisschen ungekämmt. Es sah aus, als hätte er im Toten Meer gebadet und anschließend sein Haar frottiert, bis es ein wenig strubbelig wirkte und dank des Salzwassers auch so blieb.
    Wäre er kein Dämon gewesen, dann hätte Juna auf einen begabten Trendfriseur getippt. Ganz gleich, ob beabsichtigt oder zufällig, das Ergebnis fand sie in jedem Fall ungewöhnlich und nicht hässlich. Dazu trug sicher auch bei, dass er trotz seiner Blässe eine unglaubliche Energie ausstrahlte, die sie unter normalen Umständen nur als Lebenshunger hätte bezeichnen können. Bei einem Dämon allerdings
hatte dieser Begriff einen äußerst unangenehmen Beigeschmack.
    Seine nächsten Worte unterbrachen weitere Spekulationen: »Ich empfehle dir, meinen Rat zu befolgen. Bei mir bist du sicher.« Sein Blick unter halb geschlossenen Lidern signalisierte allerdings etwas ganz anderes. Er gestattete ihr einen tiefen Blick in die Hölle: Lust, so roh und fordernd wie die Gier nach Macht, paarte sich in geradezu obszöner Weise mit dem unstillbaren Hunger nach etwas, das dieser dunkle Engel längst vergessen, vielleicht niemals besessen hatte. Emotionen waren ihm einst verboten gewesen, jetzt schien jedem seiner Gefühle - oder dem, der sie zu teilen wagte - die ewige Verdammnis anzuhaften wie zäher, alles verschlingender Teer.
    Juna griff sich an den Hals. Sie war unfähig, den Blick abzuwenden. Wenn man lange in einen Abgrund schaut, schaut der Abgrund auch in einen. Zum ersten Mal begriff sie Nietzsches Worte wirklich. Etwas Größeres schien durch den blonden Dämon auf sie herabzublicken. Eine Macht, deren Aufmerksamkeit sie unglücklicherweise erregt hatte und die nun wissen zu wollen schien, ob sie die Kraft haben würde, ihr zu widerstehen.
    Als habe er schließlich Mitleid, blinzelte der Marquis und brach damit die Verbindung ab. Sie war sicher, dass er genau wusste, was sie gefühlt hatte. Juna konnte nicht anders, sie war ihm in diesem Augenblick unendlich dankbar, dass er sie von dem Bann befreit hatte. Doch sie hatte seine Warnung verstanden und hütete sich, etwas zu sagen.
    »Sehr gut. Du lernst schnell, und das ist auch notwendig. Ich weiß nicht, wie viel Zeit wir haben werden.«
    Schweigend wartete Juna auf eine Erklärung.

    Doch er sagte nur: »Dämonen neigen dazu, die Dinge wörtlich zu nehmen. Und deinem, wie ich annehme, lediglich der Höflichkeit geschuldeten Angebot würde - so gesehen - im falschen Moment nicht einmal ein Heiliger widerstehen können.« Er lachte und ließ seine Stimme dunkel und geschmeidig über ihren Körper gleiten.
    Dieses Mal war die Gänsehaut, die ihre Arme hinauflief, keineswegs angenehm.
    »Und wie stellst du dir den Unterricht vor?« Ein schnippischer Tonfall sollte ihre Furcht überdecken, doch Juna ahnte, dass er diesen, ebenso wie jeden anderen Versuch, ihn zu täuschen, durchschaute.
    »Das Beste wäre, du kämest mit mir nach Gehenna.«
    »Haha!« Juna verschränkte die Arme vor der Brust. »Und das Zweitbeste?«
    »Die Frage habe ich befürchtet.« Er sah sich um. »In deinem Zuhause jedenfalls nicht.«
    Juna folgte seinem Blick. »Und warum nicht hier?«
    »Weil jeder Zugriff auf

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