Fluegelschlag
ein bisschen steif ging die Gestalt, die kaum mehr als eine Spanne maß und offensichtlich weiblich war, über den Tisch und platzierte sich zwischen Juna und Lucian.
Sie entrollte ein Skriptum und begann mit wichtiger und erstaunlich lauter und dunkler Stimme daraus vorzulesen: »Wir, Prinz Cathure von Britannien …« Sie stockte. »Unfug, du weißt das sowieso nicht zu schätzen.« Sie rollte das Schreiben wieder ein.
Juna runzelte ihre Stirn. »Bitte? Wenn das eine Nachricht von Cathure ist, dann verlange ich, sie auf der Stelle zu hören!«
Die Gestalt sah zu ihr hinauf und fuchtelte mit der Rolle herum. »Werd nicht frech, Mensch!«
Juna hätte ihr gern mit dem Zeigefinger einen Stups versetzt, doch sie gab der Versuchung nicht nach. »Gib mir den Brief!«
»Ha-ha! Du kannst ihn gar nicht lesen!« Das gelbe Mädchen versteckte die Rolle hinter ihrem Rücken.
»Aber ich.« Lucian zeigte weniger Geduld als Juna. Er packte sie hinterrücks am Kleid und hob sie hoch, bis sie auf Augenhöhe vor ihm baumelte. Dabei flog erneut eine Menge Glitzerstaub durch die Luft, und Finn musste niesen.
»Loslassen, du Teufel!«
Vor Lucian schien sie ebenfalls wenig Respekt zu haben. Mit der freien Hand machte sie obszöne Gesten, die eine wahre Schimpftirade begleiteten.
Doch dann begann Finn plötzlich zu knurren, und erschrocken erstarrte sie mitten in der Bewegung. »Oh-Oh!« An Lucian gewandt sagte sie: »Lass mich runter, du Grobian! Ich habe hier eine Einladung zu verkünden.«
Er tat ihr den Gefallen, trommelte jedoch mit den Fingern nicht weit von ihr auf den Tisch. »Wir hören.«
»Gut zu wissen.« Ihre Stimme triefte geradezu vor Sarkasmus. »Womöglich hätte ich noch Zeichensprache anwenden müssen.« Dabei zeigte sie Lucian den Mittelfinger.
Juna hielt die Luft an.
Doch er tat so, als hätte er diese Geste gar nicht bemerkt. »Nun …?«
»Also gut. Die da«, sie zeigte auf Juna, »ist zur Hochzeit des hochehrwürdigen Prinzen von Britannien und seiner Braut, der Seejungfer Nigella, Tochter der Meere zwischen den Lofoten und Cabo de Hornos, eingeladen.«
»Oh! Sie heiraten. Wie schön!« Aufgeregt klatschte Juna in die Hände.
Diese Reaktion schien die Überbringerin der guten Nachrichten merkwürdigerweise milder zu stimmen. »Weil du es vermutlich nicht weißt, will ich dir erklären, wie so etwas vonstatten geht. Erstens brauchst du ein Kleid. Nigella wird es dir am Tag der Hochzeit bringen lassen.«
»Aber ich habe …«
Die kleine Frau hörte gar nicht zu. »Zweitens brauchst du einen Begleiter oder eine Begleiterin. Drittens: Es sind keine Menschen zugelassen.«
»Aber ich bin …«
»Aber, aber, aber … Kennst du kein anderes Wort? Du bist eingeladen. Bringst du einen Menschen mit, kommt ihr nicht rein. Basta!«
Juna zuckte zurück, als sie eine Wolke des Glitzerstaubs traf. »Und wo findet die Feier statt?«
»Im Palast natürlich. Halte dich am Hochzeitstag um Mitternacht bereit. Ich werde dich und deinen Begleiter abholen.«
Sie schnippte mit den Fingern und war fort - natürlich nicht, ohne weitere Glitzerwolken zu hinterlassen.
Lucian räusperte sich. »Verdammte Pixies!« Damit rieb er die Hände aneinander, doch den Glitzerkram , wie er es nannte, wurde man offenbar so schnell nicht los.
»Meinst du, ich soll hingehen?«, fragte Juna.
»Es wäre ein Affront, es nicht zu tun. Und wenn ich es richtig verstanden habe, dann wohnst du in Cathures Wohnung, fährst eines seiner Autos …«
»Die Wohnung hat er uns geschenkt, und das Auto gehört Arian.« Juna fand, dass Lucian es so aussehen ließ, als hielte Cathure sie aus.
»Wie auch immer, ich empfehle dir, die Einladung anzunehmen. Warst du schon mal im Feenreich?«
»Sehr witzig. Ich weiß ja nicht einmal, wo es liegt.«
»Das weiß niemand.«
»Du etwa auch nicht?« Juna war erstaunt.
Lucians Gesichtsausdruck wirkte nicht gerade freundlich. »Lass es mich so formulieren: Man geht sich aus dem Weg. Feen gehören ebenso wenig in unsere Welt wie Drachen oder griechische Götter.«
Juna sah ihn verständnislos an. »Willst du damit sagen, dass es Drachen und all dies gibt?«
»Warum nicht? Engel gibt es ja auch, obwohl kaum noch jemand an unsere Existenz glaubt. Du bist eine Seherin, aber käme jetzt jemand zu Besuch, würde er glauben, du säßest allein am Tisch und hieltest Selbstgespräche.«
Damit hatte er natürlich Recht. Juna war inzwischen so sehr an Engel gewöhnt, dass sie nicht mehr darüber nachdachte, ob
Weitere Kostenlose Bücher