Fluegelschlag
sie sich in Gefahr begab. Juna wollte ihm jedoch unbedingt helfen, seinen Auftrag so schnell wie möglich zu erledigen.
Sie hatte gerade den Fuß auf die unterste Treppenstufe gesetzt, da wurde sie von hinten angerempelt und beiseitegestoßen. Juna verlor das Gleichgewicht und stieß mit einer älteren Frau zusammen, die ebenfalls ins Taumeln geriet. Aneinandergeklammert, konnten sie sich gerade noch fangen. Juna entschuldigte sich, Finn machte sich ganz klein.
»Sie können doch nichts dafür. Das war dieser Rüpel!« Die Frau beugte sich vor: »Immer tun sie so heilig, und wenn es drauf ankommt, dann haben diese Leute kein Benehmen.«
»Mhm.« Juna lächelte höflich und sah gerade noch ein paar hell bestrumpfte Beine die letzten Stufen der Treppe nehmen. »Heilig?«, fragte sie, unsicher, ob sie richtig verstanden hatte.
»Nichts für ungut!« Die Frau zog ihre Kostümjacke zurecht und eilte dem Ausgang zu.
Nachdenklich stieg Juna die Treppe hinauf. Oben war es nicht besonders hell. Ein langer Gang, den man offenbar zur Aufbewahrung derzeit nicht benötigter Möbel verwendete, erstreckte sich vor ihr. Am Ende wiesen zwei grün erleuchtete Piktogramme den Weg zu den Toiletten. Sie wandte sich nach links, wie es ihr der Kellner gesagt hatte, und entdeckte ein Messingschild, in das mit geschwungenen Buchstaben Clubraum eingraviert war. Sie hatte schon die Hand gehoben, um an die Tür zu klopfen, da hörte sie Schritte auf der Treppe. Einem Impuls folgend, duckte sich Juna hinter einem antiken Buffet, das gleich neben der Tür stand. Gerade noch rechtzeitig gelang es ihr, den überraschten Finn an sich zu drücken.
Sie hörte, wie eine Tür geöffnet wurde. Die eindringliche Stimme eines Mannes ertönte. »Wenn Gott gewollt hätte …« Er klang wie einer dieser fanatischen TV-Prediger.
Juna verließ ihr Versteck. Dies war offensichtlich die falsche Veranstaltung. Suchend sah sie sich um und erblickte auf der rechten Seite eine zweite Tür.
Erwartungsvoll drückte sie die Klinke herunter. Nichts. Die Tür war verschlossen. Vielleicht war das Meeting verschoben worden, und Sirona hatte es versäumt, ihr Bescheid zu geben. Oder sie hatte ihnen von Anfang an den falschen Termin genannt - nervös genug war sie bei ihrer letzten Begegnung gewesen.
Juna tastete nach dem Handy, auf dem sie auch ihre Termine gespeichert hatte, konnte es jedoch nicht finden. Typisch! Wahrscheinlich lag es wieder einmal zu Hause.
Nachdenklich ging sie die Treppe wieder hinab und begegnete
noch einmal dem Kellner, der ihr den Weg gewiesen hatte. Er zwinkerte ihr zu. »Nichts für dich, oder? Habe ich mir schon gedacht.«
Bevor sie nach einer Erklärung fragen konnte, eilte er bereits zum nächsten Gast.
Draußen atmete Juna erst einmal tief durch. Die Luft in dem Lokal war stickig gewesen.
Ihr Auto hatte sie zwei Straßen weiter geparkt und war ganz dankbar dafür, ein paar Schritte an der frischen Luft gehen zu können. Allmählich fiel die Anspannung von ihr ab.
Unterwegs blieb sie vor einem Schuhgeschäft stehen und betrachtete die ausgefallenen Modelle im Fenster. Noch unentschlossen, ob sie hineingehen sollte, bemerkte sie eine Bewegung im Augenwinkel. Es war keineswegs so, dass die Straße menschenleer gewesen wäre. Aber die Person, die nun auftauchte, fesselte sofort ihr Interesse.
Sirona ging schnell und gönnte den Schaufenstern der Boutiquen keinen einzigen Blick. Sie steuerte auf das Restaurant zu, das Juna vor wenigen Minuten verlassen hatte.
Nie ist sie pünktlich. Die Stimme irgendwo weit über ihr klang mürrisch und war weder Arians noch ihre eigene. Irgendjemand stand dort oben auf den Dächern und hielt Selbstgespräche. Das Unheimliche war, dass Juna ihn hören konnte.
Sie blickte sich suchend um. Dann sah sie ihn. Sironas Freund hockte fünf Häuser weiter auf einer Dachkante, natürlich in Engelsgestalt und für den Rest der Welt unsichtbar.
Beobachtete er seine Freundin heimlich? Juna kam sich selbst wie eine Spionin vor. Der gute alte Schaufenstertrick.
Sironas Auftauchen bewies, dass Uhrzeit und Lokal gestimmt hatten. Juna sah, wie die Tür des Restaurants zufiel, und als sie wieder zum Dach hinaufblickte, war der Engel verschwunden.
Jetzt hatte sie es ziemlich eilig, zu ihrem Auto zu gelangen. Arian?
Ich bin gleich zurück …
Als sie Schritte hinter sich hörte, drehte sich Juna um. »Das ging …« Sie stoppte. »Hallo. Was machst du denn hier?«
Finn knurrte.
Sironas Freund, der Namenlose ,
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