Fluegelschlag
sich, nicht die Nerven zu verlieren, und gab ihrer Stimme einen bewusst gewählten sachlichen Ton. »Diese Folgeerscheinung unseres heutigen Ausflugs behalten wir aber besser für uns.«
Arian wusste offenbar genau, wovon sie sprach. Er legte die Arme um ihren schmalen Körper, doch dieses Mal war sie es, die ihm Halt gab.
Juna lehnte sich an ihn und versuchte selbst, ihre innere Ruhe wiederzufinden. Sofort legte sich Arians Anspannung
spürbar, und bald hatte er zu sich selbst zurückgefunden. Schließlich gab er Juna einen zarten Kuss. »Danke.«
Dabei zwinkerte er über ihren Kopf hinweg einer Schwester zu. Ihrem Gesicht nach zu urteilen, hatte sie Zärtlichkeiten an einem solchen Ort für unangebracht gehalten. Nun jedoch erwiderte sie sein Lächeln.
»Meinetwegen, versuch dein Glück.« Arian begleitete sie bis zum Empfang.
Es dauerte nicht lange, bis sie die Aufmerksamkeit eines Pflegers erregte. »Ich suche nach meiner Schwester. Sirona Apollini.« Sie zeigte auf den Computerbildschirm. »Soweit ich weiß, ist sie bereits in Ihrem System.«
»Stimmt, ich habe sie selbst eingetragen.« Er warf einen schnellen Blick auf eine große Uhr, die hinter ihm an der Wand hing. »Röntgen sollte erledigt sein, eigentlich müsste sie schon auf der Station liegen.« Jetzt tippte er etwas ein und machte gleich darauf eine entschuldigende Geste. »Bei solchen Fällen …« Er sprach nicht weiter, sondern warf ihr einen mitleidigen Blick zu. »Tut mir leid, Sie dürfen erst morgen zu ihr.« Dann senkte er die Stimme. »Da war vorhin so ein Typ, der sagte, er sei ihr Freund.« Er sah sich suchend um. »Jetzt ist er verschwunden. Sind Sie wirklich die Schwester?«
»Halbschwester. Ich bin selbst Ärztin …«
Jemand rief: »Brian, ich brauch dich hier!«
Brian wirkte erleichtert. »Dann kennen Sie ja die Regeln. Entschuldigung, ich muss weiter.« Er wollte sich schon abwenden, überlegte es sich aber überraschend anders und beugte sich weit vor. »Dritter Stock, Zimmer 331. Halten Sie nach diesem Typen Ausschau, er kam mir nicht ganz koscher vor.«
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Danke!«
»Das haben Sie aber nicht von mir!« Er drehte sich um und war bald darauf in einer der Behandlungskabinen verschwunden.
Juna eilte zu den Aufzügen. Arian folgte ihr mit langen Schritten. Sie fuhren zusammen mit einer Pflegerin, die in letzter Sekunde noch in den Lift gesprungen war, wortlos hinauf.
Als sie hinaustraten, empfing sie gedämpftes Licht, das einen Frieden vortäuschte, den es in einem Krankenhaus nicht gab. Zwei Gänge lagen vor ihnen. Die Krankenschwester war mit dem Aufzug weitergefahren, andere Menschen waren auf den ersten Blick nicht zu sehen. Doch ein genauerer Blick enthüllte ihnen eine berührende Szene. Im Gang zu ihrer Rechten stand eine alte Frau im geblümten Morgenmantel. Sie konnte sich kaum auf ihren wackligen Beinen halten, knochige Finger klammerten sich am Handlauf fest, um Halt zu finden und zu verschnaufen, bevor sie wenige Schritte weiterschlurfte.
Juna beschlich sofort diese Beklommenheit, die sie schon als Kind in Krankenhäusern empfunden hatte und die sie niemals ganz abschütteln konnte. Ein wichtiger Grund, warum sie lieber Veterinärmedizin studiert hatte.
»Wo ist die 331?« Flüstern gehörte hier zum guten Ton.
Arian zeigte auf ein Hinweisschild. »Dort links entlang. Bis gleich.« Und fort war er.
Als Juna näher kam, sah sie, dass das Zimmer unmittelbar gegenüber der Stationszentrale lag. Von dort fiel helles Licht auf den Gang. Zu allem Überfluss befand sich neben der Zimmertür ein großes Fenster, durch das jeder, der vorbeiging, einen guten Blick auf die Patientin haben würde.
Sicher sehr praktisch für die Pfleger, aber nicht für ihre Pläne.
Juna sah beim Näherkommen Lichtpunkte hinter der Scheibe blitzen, die Zimmerbeleuchtung war aber ausgeschaltet. Sie ging zielstrebig voran und rechnete jeden Augenblick damit, angesprochen zu werden. Zum Glück begegnete ihr jedoch niemand, und sie schaffte es, ungesehen in Sironas Zimmer zu gelangen. Leise schloss sie die Tür hinter sich. Außer der kleinen Person, die blass und regungslos im Bett lag, war niemand zu sehen. Juna wollte sich gerade über sie beugen, da hielt sie erschrocken die Luft an. Zwei Gestalten lösten sich aus den Schatten. Erst nach einigen schrecklichen Sekunden erkannte sie die beiden Engel.
Sie ließ erleichtert die Luft aus den Lungen entweichen. »Ihr habt mich erschreckt!« Dann
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