Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
Vom Netzwerk:
unbeirrt seinen Satz. »… die Schilder sind doch nun wirklich nicht zu übersehen.« Dann erst sah er sie richtig an. »Junges Fräulein, die Besuchszeit ist längst vorbei.«
    Juna bemühte sich, weiter freundlich zu bleiben, was ihr nicht ganz leichtfiel. Doch mit Unhöflichkeiten kam man hier nicht weiter, das wusste sie. Eher noch mit einer Lüge. »Ich bin angerufen worden. Meine Schwester … Sirona Apollini wurde eingeliefert.«
    »Sagen Sie das doch gleich. In welcher Abteilung ist sie?«
    Juna hatte keine Ahnung und gab sich verlegen. »In der Aufregung … ich habe den Zettel zu Hause vergessen.«
    Er murmelte etwas Unverständliches, schob seinen Stuhl zurück und setzte sich. Bevor er den Computerbildschirm einschaltete, korrigierte er die Lage von zwei Bleistiften so lange, bis diese genau parallel zur Tastatur lagen.
    Juna hätte ihn am liebsten angeschrien.
    »Wie war der Name?«
    »Apollini.«
    »Haben wir nicht.« Er sah sie an, als wollte er sagen: »Wahrscheinlich hast du nicht nur die Abteilung vergessen, sondern bist auch noch im falschen Krankenhaus, Mädchen.«
    »Das kann nicht sein!«
    Er tippte noch ein wenig herum und begleitete dabei jeden Tastendruck mit unverständlichem Gemurmel. »Nichts. Sage ich doch.« Es klang dermaßen zufrieden, dass Juna nun wirklich versucht war, ihm einen ihrer feurigen Blicke zu schenken.

    »Haben Sie es mit zwei L versucht?« Sie zwang sich, ruhig zu bleiben.
    Er tippte noch einmal Sironas Nachnamen. »Natürlich. Ich weiß doch, wie man … ah! Hier kommt sie. Wird eben aufgenommen.« Er sah sie an, als habe er gerade eine bedeutende Weisheit verkündet, knipste den Bildschirm wieder aus, erhob sich und machte Anstalten, davonzuschlurfen. Im Weggehen zeigte er in die Dunkelheit. »Notaufnahme. Sie können es gar nicht verfehlen.«
    »Vielen Dank!« Juna war schon den halben Weg gelaufen, bevor sie sich an ihre Manieren erinnerte. Gleich darauf stieß sie die Türen auf und blieb wie angewurzelt stehen.
    Es war ein bisschen, als wäre sie in einer anderen Dimension gelandet. Hier bewegte sich jeder in höchster Eile. Die Ärzte konnte man nur an den andersfarbigen Namensschildern vom Pflegepersonal unterscheiden, sie alle sahen zwar blass und übermüdet aus, jedoch nicht, als befänden sie sich in einer Ausnahmesituation. Jeder Handgriff wirkte überlegt, und Juna hatte den Eindruck, auf eine gut geölte Maschine zu schauen.
    Wahrscheinlich war dies ein typischer Freitagabend in der Klinik, aber sie war doch überrascht, als zwei Betten an ihr vorbeigeschoben wurden, in denen Patienten in Straßenkleidung lagen. Sie befanden sich in unterschiedlichen Schockstadien. Während einer blutüberströmt und reglos dalag, jammerte der andere lauthals. Ein Dritter wurde im Rollstuhl in Richtung der drei Aufzüge geschoben, die pausenlos unterwegs zu sein schienen.
    »Vorsicht!«
    Von hinten näherte sich ein Pfleger im Laufschritt, der ein leeres Bett vor sich herschob.

    »Entschuldigung!« Juna sprang beiseite. Sie war ein Störfaktor in diesem funktionierenden System. An die Wand gelehnt sah sie ihm nach, bis er weiter hinten um die Ecke bog.
    »Kann ich Ihnen helfen?« Eine rundliche Person im Kittel sah sie ungeduldig an.
    »Meine Schwester …« Juna suchte nach Worten. »Sie ist gerade aufgenommen worden.«
    »Den Gang lang, bis zum Ende und dann rechts!«
    Als sich Juna bedanken wollte, war die Frau schon außer Hörweite, also folgte sie ihren spärlichen Anweisungen und landete im Chaos. Gerade schoben Sanitäter eine offenbar schwer verletzte Frau auf ihrer Trage herein. Während einer von ihnen der Schwester am Empfang in wenigen Worten erklärte, was geschehen war - Juna verstand immerhin so viel, dass es sich um das Opfer eines Autounfalls handelte und weitere Verletzte auf dem Weg hierher waren - streichelte der andere die Wange der jungen Frau, die immer nur nach ihrem Kind fragte. Zu zweit hoben sie die Patientin schließlich in ein bereitstehendes Krankenhausbett. Ein Baby greinte, von irgendwoher kam das hysterische Lachen eines Mannes und ging so plötzlich in Wehklagen über, dass der hektische Betrieb für die Dauer eines halben Wimpernschlags einfror, um dann noch schneller voranzulaufen, als müsse man die kostbare Zeit wieder einholen. Der Helfer blinzelte und stellte dann die Handtasche der Verletzten auf das Fußende. Währenddessen meldete sich eine verzerrte Stimme aus seinem Funkgerät, und statt weiter beruhigende Worte zu sprechen,

Weitere Kostenlose Bücher