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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Träne in die Räucherschale fallen zu lassen, die er im Westen aufgestellt hatte. Er wartete und schritt erst weiter, als sich der Duft von Myrrhe ausgebreitet hatte und seine angespannten Nerven beruhigte.
    In der letzten Schale warf er jeweils eine winzige Prise Salpeter und Schwefel auf die glühende Holzkohle. Das Feuerwerk erschien ihm wie aus einer anderen Dimension,
und kurz darauf kündete das schwere Aroma wertvollsten Weihrauchs davon, dass der heilige Kreis nun geschlossen war. Er fühlte sich vollständig im Einklang mit den Elementen, und was konnte dies anderes bedeuten, als dass sie seine Pläne wohlwollend begleiten würden? Mit ruhiger Stimme, die eine Oktave tiefer zu sein schien als seine eigene, sprach er die letzte Formel, blickte gen Norden und wartete.
    »Willst du mich mit dem Gestank gleich wieder vertreiben, Johnathon …?«
    Die Frage klang spöttisch, und er fuhr herum. Der Fremde, den er in der Tür erblickte, entsprach ganz und gar nicht seinen Erwartungen. Abgesehen davon kam er aus der falschen Himmelsrichtung! »Wie bist du hier hereingekommen?«, fragte er wütend. Dass der Mann seinen Namen kannte, gefiel ihm nicht.
    »Ein Mensch steht besser, wenn er den Rücken zur Wand hat.« Der Akzent war eindeutig französisch. John fand diese Froschfresser seit jeher überheblich und unangenehm, und der hier schien keine Ausnahme zu sein. Sein Gesicht konnte er leider nicht erkennen, weil sich der affektierte Kerl ein Spitzentaschentuch davorhielt. Daher auch die undeutliche Aussprache. Das weiß gepuderte Haar einer Perücke war zum Zopf gebunden, und wäre John nicht so wütend gewesen, hätte er zugeben müssen, dass diese Frisur bestens zum Rest der Erscheinung passte. Das Rüschenhemd wirkte in seinen Augen allerdings ebenso weibisch wie die Kniehosen, die der Mann zu einer langen Brokatjacke mit breiten Aufschlägen trug. Seidene Strümpfe und glänzende Schnallenschuhe ergänzten das Bild. Die blutrote Weste, zusammen mit einem Rubinring in der Größe eines
Wachteleis, waren die einzigen Farbtupfer an dieser Erscheinung.
    John hielt ein Schwert in der Hand, das er extra für das Ritual gekauft hatte. Jetzt umklammerten seine Finger den Griff fest. Feine Schweißperlen erschienen auf seiner Stirn, als sei die Raumtemperatur in den letzten Sekunden um mehrere Grade gestiegen. Er hatte zwar keine Ahnung, mit wem er es hier zu tun hatte, aber der von ihm gerufene Dämon war es bestimmt nicht. »Verschwinde!«
    Mit einer eleganten Bewegung schlug der Geck die mindestens fünflagige Spitzenkaskade an seinem Handgelenk zurück und steckte das Taschentuch in den Ärmel. »Wenn sich der Herr bitte entscheiden könnte.« Mit seinem überlangen Gehstock aus glänzendem Ebenholz wies er auf die Reliquien magischer Aktivitäten. »Du hast dir so viel Mühe gegeben, mich zu erreichen. Nun, da bin ich!«
    »Du willst der Marquis sein?« John ließ das Schwert sinken und sah ihn erbost an, dann brüllte er: »Ab mit dir in dein Dreieck!«
    »Welch eine Lebensenergie, superb!« Der Marquis, oder wer er auch war, gab sich blasiert, und John hob erneut drohend die Klinge. »Schon gut.« Er löste sich in einem teuflischen Wirbel auf, der sich in den Boden zu bohren schien. »Ist es so recht - Meister ?« Der Dämon erschien in dem für ihn vorgesehenen magischen Polygon und räusperte sich.
    Schwefelgeruch hing in der Luft. John musste husten und wandte sich instinktiv nach Süden, wo die mit schweren Stoffen verhängten Fenster waren. »Wer bist du?«
    »Wen hast du denn erwartet?«
    »Ich habe niemand Geringeren als den mächtigen Marquis,
den Herrn über dreißig höllische Legionen, genannt …«
    Der Dämon unterbrach ihn hastig. »Warum so förmlich? Du musst wohl mit mir vorliebnehmen, und weil ich schon mal da bin, frage ich dich zum zweiten Mal: Was ist dein Begehr?« Der Dämon neigte den Kopf erst nach links, dann nach rechts und wieder zurück. Jede seiner Bewegungen wurde von einem Knacken begleitet, das bei jedem Beobachter unwillkürlich Nackenschmerzen hervorrufen musste. »Arthrose«, seufzte er.
    John war gerade erst dreißig und hatte kein Verständnis für die Leiden alter Leute, ob sie nun nebenan wohnten, wie der Rentner, der ihn ständig mit seinem Gejammer belästigte und verlangte, dass er Botengänge für ihn erledigte, oder ein mutmaßlicher Dämon im Historienkostüm.
    »Komm du erst mal in mein Alter, und ich schwöre dir, deine Knochen werden sich auch zu Wort melden.« Er

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