Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debora Zachariasse
Vom Netzwerk:
Chrysanthemen. Sie sahen aus wie alte Damen, blassrosa und irgendwie abgetakelt, aber immerhin: Es waren Blumen. Und diese Verbandsvorstandstanten waren ohnehin größtenteils alte Damen.
    Ich zahlte gerade, als Ma mir simste.

    Ich warf schwungvoll die Haustür ins Schloss und ging durch den Flur. Den Altedamenstrauß trug ich wie eine Trophäe vor mir her. Ich hatte mein Möglichstes getan, ich hatte Blumen. Auf mich war Verlass. Und die blassrosa Blüten waren gar nicht so übel.
    Ma war jedoch anderer Ansicht. »Was hast du denn da gekauft!? Blumen, hab ich gesagt! Einen anständigen Strauß, der was hermacht. Wofür hab ich dir denn fünfundzwanzig Euro gegeben? Doch nicht für so ein erbärmliches Gestrüpp. Die sehen aus wie von der Tankstelle!«
    Vor meinen Augen erschlafften die Chrysanthemen und ließen traurig die Köpfe hängen.
    »Und was ist mit meinem Kostüm? Das hast du natürlich vergessen! Ich fass es nicht!«
    Sie hat mich durchschaut, wie immer. Schlau, wie sie ist, und mit ihrem untrüglichen Apothekerinstinkt. Dabei hat sie einen ganzen Schrank voller Kleider. Aber nein, es musste dieses eine Kostüm sein.
    Ma kriegte eine Stinkwut und fiel über mich her wie ein Herbststurm. Ach was, wie ein Orkan!
    Ich sei verantwortungslos und unzuverlässig. Ihr ganzer jahrelang aufgestauter Ärger über die Kollegen prasselte wie ein Eisregen auf mich nieder.
    »Und jetzt? Soll ich vielleicht im Unterrock gehen?«
    »Zieh das rote Samtkleid an, das steht dir total gut.«
    »Das Galakleid???« Mas Kreischen gellte mir in den Ohren. »Glaubst du, ich geh da zum Vergnügen hin? Wir haben heikle Dinge zu klären. Da kann ich doch nicht in so einem Kleid aufkreuzen!«
    Ihre Stimme überschlug sich und ihre sonst so robuste Mauer der Vernunft wurde vom Sturm niedergerissen. Ich klammerte mich an die letzten Trümmer.
    Dabei stand ihr das Samtkleid so super. Nur trug sie es nie, weil sich darin angeblich der Bauch abzeichnete. Als ob daseine Rolle spielte! Es würde schon nicht gleich morgen in der Zeitung stehen, dass meine Mutter einen Bauch hatte.
    »Das mit den Blumen war blöd von mir«, versuchte ich einzulenken. »Es tut mir echt leid. Aber ich hatte keine Ahnung, dass der Strauß fünfundzwanzig Euro kosten sollte. Das hast du mir in der Eile nicht gesagt.«
    »Widersprich nicht dauernd, Anna! Ich hab wahrhaftig schon genug am Hals! Wenn Charlotte nachher umfällt, können wir einpacken, versteh das doch!«
    Ich hatte keine Ahnung, wer Charlotte war und auch nicht, warum sie so mir nichts, dir nichts umfallen sollte. Aber weil sich auf Mas Gesicht bereits hektische rote Flecken zeigten und ihre Stimme vor lauter Nervosität immer schriller und höher wurde, musste wohl um jeden Preis dafür gesorgt werden, dass Charlotte standhaft blieb.
    Ich hätte besser nicht gesagt, dass sie sich nur so hysterisch benahm, weil sie in den Wechseljahren war. Und auch nicht, dass ihre Wangen vom Schreien knallrot waren und die Nase ebenfalls und dass sie das nicht eben schöner machte. Es stimmte zwar, aber offen gestanden sah Ma auch noch mit roten Flecken super aus.
    Aber ich war einfach nur wütend und mir war alles egal. »Warum musst du eigentlich neben deinem Übervollzeitjob unbedingt noch in allen möglichen Verbänden mitmischen?«, rief ich. »Nie hast du Zeit für die Familie! Wir zählen überhaupt nicht mehr!«
    Ehe ich mich’s versah, war es mir rausgerutscht. Solche unschönen Dinge sagt man nicht, schon gar nicht, wenn sie stimmen.
    »Das bin ich meiner Position schuldig, versteh das doch! Wer sich nicht im Verband engagiert, hat nichts zu melden.«
    Position? Schön und gut, aber was hatte
ich
davon?
    Jedes Mal wenn ich nach der Schule noch etwas unternahm und später nach Hause kam, gab es Ärger. Und heute waren sogar Sturm, Eisregen und Hagel angesagt. Ich hatte die Nase gründlich voll!
    »Wenn dir deine Familie so egal ist, dann mach mir bitte auch keine Vorschriften mehr!«, rief ich. »Und damit du’s weißt: Ich kauf auch nie mehr für dich ein!«
    Ma regte sich derart auf, dass sie in Tränen ausbrach. »Dass ich für einen Großteil des Familieneinkommens sorge, zählt wohl gar nicht, was?«, schluchzte sie. »Geh doch selber arbeiten, dann wirst du schon sehen!«
    Hilfe! Noch mehr rote Flecken. So hatte ich es auch wieder nicht gemeint. »Ach, Ma …« Ich überlegte fieberhaft, was ich sagen könnte, damit sie sich wieder einkriegte. Aber bevor mir etwas einfiel, kam Pa, der edle Ritter,

Weitere Kostenlose Bücher